IMZ-Newsletter #37
Juli 2018
Diesmal mit folgenden Themen:
- Übersiedelt: Abteilung Gesellschaft & Arbeit in neuen Räumlichkeiten
- ZeMiT sucht Verstärkung - zwei Stellenausschreibungen
- 10 Jahre Bibliothek für Integration und Migration – BIM an einem Standort
- "Die Außenseiter" von Philipp Ther, Buch-Empfehlung aus der BIM
- Ausstellung "Hier zuhause" virtuell entdecken
- Vernetzungstreffen des LEADERprojektes "Immigrants Integration into Rural Areas"
- Unternehmen und Arbeitssuchende zusammenbringen - AST bei Karrieremesse CAREER & Competence 2018
- Neues Interreg_Projekt EUMINT (Europaregionen Migration Integration) mit Tiroler Beteiligung
- SymfoS: Symbolarbeitszirkel, Treffen und neue Produkte
- Projekt Marjam – Patinnen für geflüchtete Frauen
Übersiedelt: Abteilung Gesellschaft & Arbeit in neuen Räumlichkeiten
Seit 25. Juni befindet sich die Abteilung Gesellschaft und Arbeit mit dem Fachbereich Integration des Landes Tirol in der Meinhardstraße 16 in Innsbruck.
Die neue Kontakdaten lauten:
Tel.Nr.: 0512 508 7820
Fax: 0512 508 747 805
Online-Präsenz weiterhin auf https://www.tirol.gv.at/integration
ZeMiT sucht Verstärkung - zwei Stellenausschreibungen
Das Zentrum für MigranInnen in Tirol sucht Verstärkung im Projektmanagement und EDV / IT.
Hier finden Sie die zwei Stellenausschreibungen:
PROJEKTMANAGER*IN (min. 25 WS)
EDV-MITARBEITER*IN (ca. 10 WS)
10 Jahre Bibliothek für Integration und Migration – BIM an einem Standort
Mit über 2000 Publikationen (Bücher, Zeitschriften, Broschüren) zu den Themen rund um Integration und Migration bietet die BIM ihren Nutzerinnen und Nutzern seit 2008 ein breit gefächertes Angebot an Fachliteratur. Um den stetig wachsenden Literaturbestand der Partnerinstitutionen Initiative Minderheiten, Fachbereich Integration der Abteilung Gesellschaft und Arbeit des Landes Tirol und Zentrum für MigrantInnen in Tirol (ZeMiT) an einem Standort der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurden kürzlich alle drei Sonderstandorte zusammengeführt. Nun befindet sich der gesamte BIM-Bestand in den Räumlichkeiten des ZeMiT in der Andreas-Hofer-Straße 46.
Bestand und Literaturrecherche
Die Recherche in der online-Bibliothek erfolgt über die Homepage des Informations- und Monitoringzentrums für Migration und Integration in Tirol (IMZ). Hier (verlinkt Littera) können Interessierte Literatur zu migrationsrelevanten Themen wie Bildung, Gesundheit, Inter- und Transkulturalität, Interreligiöses, Rassismuskritik, Flucht, Rechtsextremismus/ Faschismus und Menschenrechte wie auch zu weiteren thematischen Schwerpunkten suchen.
Infos zur Anmeldung und Ausleihe
Für die Nutzung der Bibliothek ist eine LeserInnen-Anmeldung notwendig. Dazu können Anmeldeformulare direkt vor Ort im ZeMiT ausgefüllt und anschließend kostenlos Bücher ausgeliehen werden. Die Ausleihdauer beträgt 12 Wochen. Ebenso sind über das IMZ online-Reservierungen möglich.
Kontakt
ZeMiT - Zentrum für MigrantInnen in Tirol
Andreas-Hofer-Straße 46, 6020 Innsbruck
Öffnungszeiten
Mo – Fr, 8.00 - 12.00 Uhr
Tel.: +43 512 577 170
Fax: 0512 577 170-4
Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
"Die Außenseiter" von Philipp Ther, Buch-Empfehlung aus der BIM
In seiner aktuellen Publikation Die Außenseiter. Flucht, Flüchtlinge und Integration im modernen Europa befasst sich Philipp Ther mit der Geschichte sowie der politischen Theorie der Auswanderung. Anhand von Lebensgeschichten veranschaulicht der Zeithistoriker und Kulturwissenschaftler, dass die Flüchtlingsbewegung in Europa kein Phänomen der Gegenwart ist. Denn seit der Vertreibung der sephardischen Juden 1492 von der iberischen Halbinsel ist Europa immer ein Kontinent der Flüchtlinge gewesen.
In vier Kapiteln untersucht der Autor die rechtliche, berufliche und die lebensweltliche Integration und versucht die Gründe der Flucht – u.a. religiöse Intoleranz, radikaler Nationalismus und politische Verfolgung – aufzuzeigen. Dabei werden Faktoren für eine gelingende Integration wie auch das Versagen der internationalen Politik ins Zentrum gerückt und insbesondere an die wirtschaftlichen Profite, die die Zielländer fast immer von der Aufnahme von Flüchtlingen erzielen, erinnert.
Ther, Philipp: Die Außenseiter. Flucht, Flüchtlinge und Integration im modernen Europa
Berlin Suhrkamp, 2017
Ausstellung "Hier zuhause" virtuell entdecken
Letztes Jahr war im Tiroler Volkskunstmuseum die Ausstellung „Hier zuhause. Migrationsgeschichten aus Tirol“ (1.6. – 3.12.2017) zu sehen. Die Schau, ein Kooperationsprojekt vom Zentrum für MigrantInnen in Tirol mit Tiroler Landesmuseen, den Instituten für Zeitgeschichte und Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck, dem Land Tirol (Abteilung Gesellschaft und Arbeit – Integration) und der Stadt Innsbruck erzählte aus einer sozialen Perspektive von der Arbeitsmigration der 1960er und 1970er Jahre in Tirol. ZeitzeugInnen berichteten in Videointerviews über ihre Erfahrungen, die sie in der Situation der „Gastarbeit“ in Österreich machten. Auch das Kurator_innenteam gibt in Videointerviews Einblick hinter die Kulissen der Ausstellungsgestaltung.
Das Ausstellungsmaterial wurde für eine virtuelle Präsentation aufbereitet und steht nun online unter www.hier-zuhause.at zur Verfügung. Von den über 30 in Form von Skype-Konferenzen arrangierten Videos, über ausgewählte Objekte bis hin zu Audio-Führungen in den Sprachen BKS, Türkisch, Englisch und Deutsch sind die verschiedenen Sichtweisen ab sofort rund um die Uhr abrufbar.
Die Digitalisierung www.hier-zuhause.at ist ein Projekt vom ZeMiT und den Tiroler Landesmuseen, kofinanziert durch das Land Tirol, Abteilung Gesellschaft und Arbeit – Integration. Die Objekte und ihre Geschichten sind im Dokumentationsarchiv Migration Tirol (DAM), das am ZeMiT angesiedelt ist, digital archiviert.
Trailer zur Ausstellung (youtube 3:05)
Video MIGRATIONSGESCHICHTEN AUS TIROL
Vernetzungstreffen des LEADERprojektes
"Immigrants Integration into Rural Areas"
Das dritte transnationale Treffen zur Integration im ländlichen Raum fand am 15. und 16. März im Ort Brilon im Hochsauerland statt. Aus Tirol beteiligten sich insgesamt 15 TeilnehmerInnen, die alle in verschiedenen Bereichen der Integrationsarbeit tätig sind (Imst, Wipptal, Wörgl, Kufstein, Kitzbühl). Drei Kolleginnen aus Linz vervollständigten die österreichische Gruppe. Aus Finnland, Schweden und Deutschland waren ähnlich große Gruppen dabei, sodass die Konferenz von geschätzt 80 Personen besucht wurde.
Viele TeilnehmerInnen kannten sich bereits von den Treffen in Tirol und Schweden. Den Auftakt bildeten zwei Podiumsgespräche. Der als „Pianist in den Trümmern“ bekannt gewordene palästinensisch-syrische Musiker Aeham Ahmad flüchtete vor 2 Jahren aus Syrien nach Deutschland und lebt heute in der Nähe des Tagungsortes. Er sprach über seine Musik, seine Flucht und seine Erfahrungen in Deutschland, die er auch in einem Buch niedergeschrieben hat.
Lesetipps
- Buch: Aeham Ahmad: Und die Vögel werden singen. Ich, der Pianist aus den Trümmern. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017
- Artikel Deutschlandfunk
Shirko Moustafa arbeitet als Dolmetscher und leistet als Mitarbeiter im Verein Das Dach e.V. wertvolle psychosoziale Arbeit teilte ebenso seine Erfahrungen und beantworte Fragen.
Jeweils nachmittags arbeiteten die TeilnehmerInnen aus Tirol in vielen Kleingruppen zu den drei Tagungsthemen: Arbeitsmarkt, Werte und Freiwilligenarbeit. Am Freitagvormittag besuchten 4 Exkursionsgruppen insgesamt 8 regionale Initiativen, die im Hochsauerland Integrationsarbeit leisten. Eine Gruppe war zu einem Gedankenaustausch im Weltladen von Winterberg und besuchte in Medebach einen Gemeinschaftsladen und das Kolpinghaus, das einen Jugendtreff und Kochgruppen anbietet. Der Höhepunkt der Tagung war das öffentliche Pianokonzert von Aeham Ahmad im Stadtsaal von Brilon.
Unternehmen und Arbeitssuchende zusammenbringen
AST bei Karrieremesse CAREER & Competence 2018
Am 25. April 2018 fand die 11. Karrieremesse CAREER & Competence im Congress Innsbruck statt. Unter den insgesamt 70 Ausstellern (ca. 55 Arbeitgeber und 16 Bildungseinrichtungen) war die AST – Anlaufstelle für im Ausland erworbene Qualifikationen, am ZeMiT angesiedelt, wieder dabei. Die AST-BeraterInnen standen an diesem Tag allen Interessenten und KlientInnen mit Rat und Tat zur Seite, ihnen bei Bewerbungsgesprächen sprachlich unterstützt.
Knapp 2.000 Menschen haben dieses Jahr die Messe besucht. Die BesucherInnen konnten an diesem Tag die Chance ergreifen sich ein besseres Bild über die anwesenden Tiroler Unternehmen zu machen und sich ausführlich über aktuelle Stellenangebote, Praktika und Masterstudiengänge zu informieren. Dieses Jahr fand auch wieder die Master Lounge statt, bei der VertreterInnen von Unternehmen sowie Hochschulen das Publikum rund um die Themen „Bewerbung, Arbeit und Studium“ informiert haben.
Neues Interreg-Projekt EUMINT (Europaregionen Migration Integration) mit Tiroler Beteiligung
EUMINT ist ein grenzüberschreitendes Interreg-Projekt zu den Themen Migration und Integration, welches 2018 gestartet ist und bis Mitte 2020 unter Koordination des Leadpartners EURAC Research (Bozen) durchgeführt wird. EUMINT zielt darauf ab, die institutionelle grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Regionen und Partnern zu stärken, um die mit dem Phänomen der Migration verbundenen sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Herausforderungen besser bewältigen zu können. In den grenznahen Gebieten erachten wir Zusammenarbeit, Austausch und gemeinsame Integrationsmaßnahmen über die Grenzen hinweg für besonders wichtig.
AnsprechpartnerInnen im ZeMiT: Armin Brugger und Michaela Nindl
Mehr Informationen
SymfoS: Symbolarbeitszirkel, Treffen und neue Produkte
Das Erasmus+ Projekt SymfoS (Symbols for Success) entwickelt und verbreitet eine spannende und effektive Methode der Bildungs- und Berufsberatung für Jugendliche, die auf Symbolarbeit basiert. Nach zwei Ausbildungswochen und mehreren Workshops im Vorjahr bildete sich dieses Frühjahr in Innsbruck ein Symbolarbeitszirkel, bei dem sich BeraterInnen aus verschiedenen Organisationen regelmäßig treffen, Methoden erproben und ihre Praxiserfahrungen austauschen. ZeMiT führte einen Einführungsworkshop für Frauen im Brennpunkt (FIB) und eine offene Infoveranstaltung in den Räumen des Vereins Multikulturell durch. Beim vorletzten Treffen der Projektpartner in Dublin im Juni wurde u.a. an den Methoden und Übersetzungen weitergearbeitet.
Bild: Projekttreffen Dublin
Laufend fertiggestellte Ergebnisse und weitere Informationen finden sich unter www.symfos.eu, auf der Symfos Facebook Seite und auf www.zemit.at unter „Projekte“.
Ansprechpartner im ZeMiT: Armin Brugger
Projekt Marjam – Patinnen für geflüchtete Frauen
Marjam ist ein Projekt von Frauen für Frauen: Etwa ein Drittel der Flüchtenden, die zur Zeit nach Tirol kommen, sind Frauen. Einige kommen mit Angehörigen, andere alleine. Vor dem Hintergrund dieser neuen Migrations- und Flüchtlingsgruppen unterstützt das Projektteam von Marjam persönliche Kontakte zwischen hier lebenden und neu zugezogenen Frauen in Form von ehrenamtlichen „Patenschaften“. Die Freiwilligenpartnerschaft Tirol vermittelt Interessierte „Frauen-Tandems“ in folgenden Regionen: Oberland, Unterland, Außerfern, Osttirol und Wipptal.
Die 6-monatigen „Patenschaften“ sollen nicht nur den zugezogenen Frauen den schwierigen Neustart im noch fremden Gastland erleichtern, sondern auch Gelegenheit zum Austausch bieten. Das bestätigt Monika, die seit April als Marjam-Patin Alka aus Indien begleitet: "ich lerne viel über ihr Land, über sie und ihre Kultur". Und wenn Monika über die schwierige Lebensbedingungen in Akla´s Heimat erfährt, dann merke sie, nach ihren Worten, wie gut es ihr geht.
"Es geht darum, sich im Alltag zurecht zu finden, Menschen kennenzulernen, Deutsch anzuwenden und zu üben – also Zugang zur Aufnahmegesellschaft zu finden.", beschreibt Projektleiterin Julia Rhomberg das Ziel des Projektes. "Patinnen sind Brückenbauerinnen, die dann zu professionellen Einrichtungen weitervermitteln, Informationen recherchieren helfen etc", dabei sei das Ziel Begegnung zu ermöglichen, Menschen beim Ankommen zu unterstützen und sie wieder ein Stück handlungsfähiger zu machen. Für Monika, Pensionistin, ist Marjam eine sinnvolle Weise ihre Zeit zu verbringen, nämlich "Frauen unterstützen, aus dem Schatten von Männern herauszutreten" und selbstständiger zu leben.
Informationsfolder für Patinnen und Interessierte
Das Projekt Marjam. Patinnen für geflüchtete Frauen in Tirol ist eine Initiative des Landes Tirol (Abteilung Gesellschaft und Arbeit) in Kooperation mit der Freiwilligenpartnerschaft Tirol.
Linktipp
#SicherSein – Engagiert gegen Abschiebungen nach Afghanistan
#SicherSein ist eine Kampagne von Menschenrechtsorganisationen, ExpertInnen und vielen engagierten Menschen für das Ende der Abschiebungen nach Afghanistan. Ziel ist es, wirksame Öffentlichkeitsarbeit gegen die zunehmenden Abschiebungen zu betreiben, durch Vernetzung vieler Einrichtungen und engagierten Menschen.
Gastkommentar
Gerecht ist was Elend schafft? von Sabine Trummer
In der neuen Rubrik „Gastkommentar“ lädt das IMZ VertreterInnen von NGO´s, WissenschaftlerInnen und ExpertInnen aus dem Bereich Migration und Integration das aktuelle politische Geschehen unter die Lupe zu nehmen und kritisch zu hinterfragen.
Diesmal, im ersten Kommentar der Rubrik, analysiert Sabine Trummer Folgen und gesellschaftlichen politischen Entwicklungen der Abschaffung der Mindestsicherung.
Sabine Trummer
Bild: BAWO
Gerecht ist was Elend schafft?
Hat man viel, so wird man bald
noch viel mehr dazu bekommen.
Wer nur wenig hat, dem wird
auch das Wenige genommen.
Wenn du aber gar nichts hast,
Ach, so lasse dich begraben –
denn ein Recht zum Leben, Lump,
haben nur, die etwas haben.
(Heinrich Heine, 1851).
Besser kann man die gesellschaftspolitische Ausrichtung der aktuellen Bundesregierung nicht zusammenfassen.
Sibylle Hamann geht in ihrem lesenswerten Artikel im Falter 23/18 „Geben und Nehmen“ auf wesentliche Fragen zur Mindestsicherung ein: „Die Regierung reformiert die Mindestsicherung. Warum? Für wen? Wen will sie damit treffen- und wen trifft sie wirklich?“…. „Ist die Kürzung der Mindestsicherung Teil eines perfiden Plans, um in Österreich gezielt Obdachlosigkeit, Elend und Kriminalität zu erzeugen? Will die Regierung die Spannungen in der Gesellschaft so weit verschärfen, dass sie anschließend mit Polizei und repressiven Maßnahmen hart durchgreifen kann?“
So ist es. Die politischen Akteure wissen was sie tun. Sie wissen auch um die Folgen für jene Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen über kein ausreichendes Einkommen verfügen und auf Mindestsicherung angewiesen sind. Verelendung von Menschen wird nicht nur in Kauf genommen, sie ist beabsichtigt! Für moralische Appelle oder Aufklärung (Benennen der Auswirkungen für Menschen in Notlagen) sind die politischen Akteure damit nicht zugänglich. Dafür bräuchte es ein humanistisches Menschenbild und eine Haltung, die, ausgehend von der Vorstellung eines besseren Lebens für alle, politische Maßnahmen umsetzt. Wer den „Wirtschaftsstandort“ in die Verfassung mitaufnehmen will, hat damit alles gesagt: Wenn die Rendite, die Profitmaximierung, die wesentlichen politischen Ziele sind, die über allem stehen sollen, dann geht es weniger um menschliche Bedürfnisse nach mehr sozialer Sicherheit, um Arbeitsrechte die vor Ausbeutung schützen, um Rechtsberatung in Zusammenhang mit Anstellungsverhältnissen, um MieterInnschutz und leistbares Wohnen, um existenzsichernde Einkommen, um Konsumentenschutz, um Umweltschutzmaßnahmen etc. So ist es kein Zufall, dass in allen oben genannten Bereichen Verschlechterungen des Status Quo angedacht sind bzw. bereits beschlossen wurden.
Kürzungen bei der Mindestsicherung, Abschaffung der Notstandshilfe, Streichen der Fördermittel für AMS-Maßnahmen und Beratungseinrichtungen (z.B. Familienberatungsstellen), Einschränkung der Rechte von MieterInnen und Ausrichtung auf renditeerhöhende Maßnahmen im Bereich Wohnen (siehe geplante Reform Mietrechtsgesetz), Aushöhlung von Arbeitsrechten (inkl. Desavouierung der Arbeiterkammer), Abbau von sozialen BürgerInnenrechten, mehr Druck auf ArbeitnehmerInnen etc. – diese Programmatik hat nichts mit ökonomischen/budgetären Notwendigkeiten zu tun. Dahinter steht interessensgeleitete Politik, von der einige profitieren werden. Die Lebensbedingungen der Mehrheit der Bevölkerung werden sich dadurch nicht verbessern. Allerdings verdienen die politischen Akteure 10 von 10 Punkten, wenn es darum geht, oben genannte Maßnahmen so zu vermarkten, dass selbst jene ihre Zustimmung erteilen, die besonders betroffen sind.
Sündenbockpolitik reloaded
Wer zu wenig zum Leben hat, der ist selber schuld und hat kein Recht auf solidarische Unterstützung – das ist die zentrale Botschaft/Haltung, die (wieder) zum Mainstream werden soll. Asylsuchende, Menschen im Mindestsicherungsbezug, Arbeitsuchende werden an den Pranger gestellt und pauschal als Leistungsverweigerer denunziert. Mit der altbewährten Sündenbockstrategie werden gesellschaftliche Probleme personalisiert. Die Verantwortung für soziale Sicherheit wird privatisiert und die soziale Frage entpolitisiert. Soziale Sicherheit wird von einem gesellschaftspolitischen Thema in ein Problem der „Armen“ umdefiniert. Nicht die Verhältnisse, die Existenzunsicherheit befördern, sollen beseitigt werden sondern die davon betroffenen Menschen. Wer „keine Leistung erbringt oder noch nie ins System eingezahlt hat“, der wird auf die Zielscheibe positioniert, der wird zum Ausschluss freigegeben.
Spaltungspolitik - in Zeiten, in denen ein zunehmender Anteil der Bevölkerung von Existenzunsicherheit betroffen oder bedroht ist und in denen sich immer mehr Menschen das Wohnen nicht mehr leisten können, eine geschickte weil funktionale Strategie:
Die Wut jener Menschen, die Existenzängste haben wird gegen jene gelenkt, denen es noch schlechter geht. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Während die Einträge in den sozialen Medien immer noch gehässiger werden und Menschen auch nicht mehr vor Morddrohungen zurückschrecken, können sich die zuständigen politischen Akteure fröhlich in die Hände klatschen. Sie werden nicht mehr als Zuständige/Verantwortliche wahrgenommen, die es eigentlich in der Hand hätten, Rahmenbedingungen zu beschließen, die der Mehrheit der Bevölkerung das Leben erleichtern würden.
Je lauter über Flüchtlinge gehetzt wird, desto still und heimlicher wird im Eiltempo der Abbau von sozialen BürgerInnenrechten beschlossen. Betroffen davon sind viele. Die „Flüchtlingsdebatte“ ist ein Schutzschild für die Politik: Der vielzitierte „kleine Mann“ soll nicht gegen die Regierung rebellieren, sondern gegen die sogenannten „Asylanten“.
Wir sitzen alle im selben Boot.
Gegen die politisch produzierten Spaltungen („Einheimische“ gegen Geflüchtete, Erwerbstätige gegen Arbeitsuchende und BezieherInnen von Mindestsicherung, etc.), gilt es wirksame Strategien zu entwickeln. Die nicht enden wollende Thematisierung der Mindestsicherung (0,8 % der Sozialausgaben Österreichs) ist ein strukturiertes und organisiertes politisches Ablenkungsmanöver von den wirklich zentralen gesellschaftspolitischen Problemen und Herausforderungen.
Volkshilfe, Diakonie, Caritas, Armutskonferenz, Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreich, BAWO, SPAK und regionale Vernetzungen der Bundesländer, Arbeiterkammer, ÖGB, zahlreiche ExpertInnen und Interessensvertretungen beziehen bereits kritisch Stellung und es werden immer mehr. Das ist das Positive an der aktuellen Situation.
Es gilt, mehr denn je die gemeinsamen Interessen und Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung zu betonen und solidarisch einzufordern: Existenzsicherheit (auch in Zeiten der Arbeitslosigkeit und für Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen keinen Zugang zum Erwerbsarbeitsmarkt haben), leistbarer und langfristig gesicherter Wohnraum. Hier braucht es dringend politische Maßnahmen (Interventionen, Investitionen, Regulierungen) zur Verbesserung des Status Quo.
Wenn man Menschen in finanziellen Notlagen die Mindestsicherung kürzt, wird Wohnen nicht bezahlbarer, die Arbeitsbedingungen, Ausbildungsperspektiven oder die ärztliche Versorgung nicht besser. Niemand wird deswegen mehr verdienen oder im Alter besser abgesichert sein.
Wenn die Kürzung der Mindestsicherung die Lösung ist, was war dann noch mal das Problem?
Sabine Trummer
*
Durchgangsort für Wohnungs- und Arbeitssuchende DOWAS Innsbruck
BAWO Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe - Vorstand für Tirol
Hier finden Sie den Kommentar in PDF-Format.
Das IMZ ist ein gemeinsames Projekt von Land Tirol /Abteilung Gesellschaft und Arbeit - Integration und ZeMiT.