IMZ-Newsletter #38
September 2018
Diesmal mit folgenden Themen:
- Die neue Innsbrucker Stadtbibliothek – der Vielfalt Raum geben
- * NEU *Stadtspaziergang: Zur Geschichte der Gastarbeiter – Spurensuche am Innsbrucker Bahnhof
- Kürzungen in der Basisbildung für Jugendliche: Verein Multikulturell sucht CrowdspenderInnen
- Buchrezension "Der ewige Gast. Wie mein türkischer Vater versuchte, Deutscher zu werden"
- Integrationsenquete 2018: "Lohnt sich Integration? Migration – Chance und Verantwortung für die Wirtschaft"
- Flüchtlinge helfen – Lehrgang für Ehrenamtliche in der Asylarbeit
- Ausstellung über „Gastarbeiter“ in Imst, 2019
- Fortbildungen für TrainerInnen und BeraterInnen: Symbolarbeit und Migrationsgeschichte
- Konferenz NIC 2018: Bildung in der Fluchtgesellschaft
- Buchtipp: "Postmigrantische Visionen. Erfahrungen - Ideen - Reflexionen"
Die neue Innsbrucker Stadtbibliothek - der Vielfalt Raum geben
Die Stadtbücherei Innsbruck zieht um. Am 9. November 2018 wird sie in der Amraser Straße 2 als Stadtbibliothek Innsbruck neu eröffnet.
Der neue Standort ermöglicht die Umsetzung eines zeitgemäßen Bibliothekskonzeptes mit dem Ziel, einen konsumfreien Raum für alle Menschen zu schaffen. Dies umfasst neben einem erweiterten Medienangebot, längeren Öffnungszeiten auch verstärkt zielgruppenorientiertes Arbeiten. Derzeit werden integrative Projekte mit den Schwerpunkten Mehrsprachigkeit und Barrierefreiheit konzipiert, die kostenlos und meist ohne Anmeldung stattfinden werden. Hierbei werden Kooperationen mit Vereinen und Bildungsinstitutionen angestrebt, darunter wird eine Beratungsstelle Möglichkeit bekommen, sich in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek vorzustellen und kostenlos und ohne Anmeldung Menschen bei speziellen Fragen zur Seite stehen.
Zudem wird der mehrsprachige Medienbestand der Stadtbibliothek schrittweise erweitert. Neben Lern- und Unterhaltungsmedien in verschiedenen Sprachen stehen auch mehrsprachige BibliothekarInnen (Bosnisch, Englisch, Italienisch, Kroatisch, Kurdisch, Russisch, Serbisch, Spanisch und Türkisch) für Informationsweitergabe und Unterstützung von Menschen mit Migrationsgeschichte, besonderen Bedürfnissen und SeniorInnen zur Verfügung.
Vorlesezeit für Kinder von vier bis acht Jahren und ihre Eltern, sowie mehrsprachige und in Gebärdensprache übersetzte Vorlesezeiten sind geplant. Auch mehrsprachige Bibliotheksführungen werden in der neuen Bibliothek angeboten.
Ansprechpersonen
Daniela Dupor, Zeliha Arslan & Markus Jäger
Kontakt
Stadtbibliothek Innsbruck
Amraser Straße 2 (IVB-Haltestelle: Sillpark)
0512 5360 5700
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Fotorechte: renderwerk.at
* NEU * Stadtspaziergang: Zur Geschichte der "Gastarbeiter" - Spurensuche am Innsbrucker Bahnhof
„Der Bahnhof war der Sonntag der Gastarbeiter“ – mit diesem Ausspruch brachte die deutsche Fotografin Erika Sulzer Kleinemeier die Bedeutung, die der Bahnhof für viele „Gastarbeiter“ in den 1960er und 1970er Jahren spielte, treffend auf den Punkt. Der Bahnhof war ein Ort der Ankunft und Abreise, der Anwerbung, des Wiedersehens, ein Treffpunkt zum persönlichen Austausch, ein Platz für Wohnungs- und Arbeitsvermittlung, ein wohltuendes Bad in der eigenen Sprache. Der Stadtspaziergang „Zur Geschichte der Gastarbeiter – Spurensuche am Bahnhof“ steht unter dem Fokus „Private Netzwerke und öffentliche Teilhabe“. Eingebettet in die Geschichte des Hauptbahnhofes Innsbruck begeben sich die TeilnehmerInnen bei dem Stadtspaziergang auf die Spuren der Geschichte der „Gastarbeiter“: Wo waren wichtige Treffpunkte? Welche öffentlichen Institutionen haben welche Rolle gespielt? War der Bahnhof nur oder doch mehr als ein Ort der Ankunft und Abfahrt?
Die Geschichte der Arbeitsmigration der 1960er – 1970er Jahre hat die Tiroler Gesellschaft bis heute stark geprägt – einen guten Teil des Wirtschaftsaufschwungs und des Wohlstands verdanken wir der Arbeitsleistung von Menschen die damals bereit waren, in der Fremde Arbeit und eine neue Heimat zu finden. Auch heute steht die Wirtschaft einem Mangel an Fachkräften gegenüber und fordert wieder eine geregelte Zuwanderung, um die Wirtschaftsleistung aufrechterhalten zu können. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich die Geschichte zuverlässig wiederholt.
Der Stadtspaziergang wird vom ZeMiT in Kooperation mit der Stadt Innsbruck veranstaltet.
Datum: 19. Oktober, 15:00
Treffpunkt: Meeting Point am Innsbrucker Hauptbahnhof
Anmeldung und Information:
Mag.a Nicola Köfler Stadt Innsbruck – Stadtplanung, Stadtentwicklung und Integration
Telefon +43 (0) 512 / 53 60-5190 oder 5191
Bild: Hauptbahnhof Innsbruck, ca. 1960, Quelle: Stadtarchiv Innsbruck
Kürzungen in der Basisbildung für Jugendliche: Verein Multikulturell sucht CrowdspenderInnen
Der Verein Multikulturell fördert mit seinem Angebot aus Basisbildung für junge Menschen mit Fluchthintergrund Jugendliche, die in Ihrem Herkunftsland eine Schule oft nicht oder nur kurz besuchen konnten.
Aufgrund der Entscheidung der österreichischen Bundesregierung, die Förderschiene für Jugendkurse zu beenden, können im Jahr 2018 weniger Basisbildungskurse für jugendliche Geflüchtete stattfinden als notwendig wären. Um im österreichischen Bildungssystem Fuß zu fassen und letztlich auch berufliche Pläne verfolgen zu können, braucht es Grundwissen.
Der Verein Multikulturell nutzt daher das Crowdfunding-Portal respekt.net und sucht Spenden für einen Kurs für 10 Jugendliche mit Basisbildungsbedarf, der Anfang Mai startete. Noch bis 23. Oktober 2018 ist es möglich, unter diesem Link mit einer Spende das Projekt zu unterstützen.
Verbreitung auf Facebook oder auf Instagram ist gewünscht.
Bildcredits: Verein Multikulturell
Buchrezension Der ewige Gast. Wie mein türkischer Vater versuchte, Deutscher zu werden
Tosun Merey, der Sohn eines Istanbuler Papierfabrikanten, bricht als junger Türke im Herbst 1958 auf, um sich eine Zukunft in der Bundesrepublik Deutschland aufzubauen. Schon vor den sogenannten „Gastarbeitern“ lernt er das fremde Land wie auch dessen Kultur kennen und entscheidet sich zunächst für ein Studium, anschließend für ein Leben in Deutschland. Doch wie sehr er sich auch als Deutscher definiert, im Laufe der Jahre wird Tosun in verschiedenen Lebenssituationen immer wieder bewusst, dass er aufgrund seiner Wurzeln in Deutschland stets ein „Mensch zweiter Klasse“ bleiben wird.
Der Versuch, in Deutschland heimisch zu werden
In „Der ewige Gast“ erzählt Can Merey, der als Sohn von Tosun und Maria in Frankfurt am Main geboren wurde, die Lebensgeschichte seines Vaters. Geboren in der türkischen Metropole Istanbul, reist Tosun Merey nach seinem Abschluss an einem Elite-Gymnasium nach Deutschland, wo er am Goethe-Institut in Blaubeuren Deutsch lernt. Nach seinem Militärdienst in der Türkei kehrt er als Student der Betriebswirtschaft zurück, heiratet Maria, macht Karriere als Manager in einer deutschen Firma und wird schließlich deutscher Staatsbürger. Doch genügt all das nicht, um auch von der Gesellschaft als Deutscher akzeptiert zu werden. Für Arbeiter, die nicht „unter einem Türken“ arbeiten wollen, oder für die Leiterin des deutschen Kindergartens in Iran, den „nur reinrassige Kinder“ besuchen, bleibt er stets ein Ausländer. So wird auch Can Merey mit der Frage nach seinen Wurzeln konfrontiert: „Ich habe das lange verdrängt und dann doch beim Schreiben gemerkt, wie oft das in meinem Leben eine wichtige Rolle gespielt hat.“ Die intensive Auseinandersetzung des Journalisten und dpa-Korrespondenten mit der Geschichte seines Vaters führte nämlich zur Erkenntnis, wie sehr die türkischen Wurzeln auch sein Leben geprägt haben. Anhand von zahlreichen Anekdoten aus dem Leben Tosuns hält Can Merey in „Der ewige Gast“ nicht nur die Geschichte seines Vaters fest. Er wirft zudem die Frage nach der nationalen Identität auf und stellt politische sowie gesellschaftliche Ereignisse in der Türkei und in Deutschland dar. Mit seinen Ausführungen und Recherchen schafft es Can Merey, einen Beitrag zur aktuellen Integrationsdebatte zu leisten. Insbesondere zeigt er auf, welche Rolle die Akzeptanz oder eben die Nicht-Zugehörigkeit der in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln die deutsch-türkischen Beziehungen prägen.
Der ewige Gast : Wie mein türkischer Vater versuchte, Deutscher zu werden von Can Merey, erschienen 2018 im Karl Bressning Verlag ist im Bestand der BIM – Fachbibliothek für Integration und Migration kostenlos zum Ausleihen.
Integrationsenquete 2018: Lohnt sich Integration? Migration - Chance und Verantwortung für die Wirtschaft
Profitiert die Wirtschaft von Zuwanderung? ist die Frage der diesjährigen Integrationsenquete, die sich mit den Auswirkungen von Zuwanderung auf die österreichische Wirtschaft beschäftigt. In diesem Zusammenhang wird auch die gesellschaftspolitische Verantwortung der Wirtschaft unter die Lupe genommen. Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene und konkrete Herausforderungen und Bemühungen in Tirol, werden dabei untersucht. Die 9. Tiroler Integrationsenquete bietet wieder Raum für die Diskussion mit ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis und gibt Impulse für konkretes Tun.
Die 9. Tiroler Integrationsenquete Lohnt sich Integration? Migration – Chance und Verantwortung für die Wirtschaft findet am Donnerstag, 18. Oktober 2018, von 09.00 bis 18.00 Uhr statt, am Landhaus 1, Eduard-Wallnöfer-Platz 3, Großer Saal.
Anmeldung: Die Teilnahme an der Enquete ist kostenlos, aus organisatorischen Gründen wird um Anmeldung bis zum 05. Oktober 2018 gebeten: Haus der Begegnung, Tel 0512/587869 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Die 9. Integrationsenquete ist eine gemeinsame Veranstaltung von Land Tirol, Stadt Innsbruck, Haus der Begegnung, Tiroler Integrationsforum und Wirtschaftskammer Tirol.
"Flüchtlinge helfen" - Lehrgang für Ehrenamtliche in der Asylarbeit
Das Haus der Begegnung veranstaltet im Herbst den Lehrgang Flüchtlinge helfen mit ExpertInnen aus dem Asylwesen. Der Lehrgang bietet Menschen, die sich ehrenamtlich für Geflüchtete und AsylwerberInnen einsetzen, die notwendigen Grundkenntnisse über die Situation in den Herkunftsländern, die Bedürfnisse von AsylwerberInnen, die aktuelle rechtliche Situation und die Möglichkeiten wirksamer und effizienter Hilfeleistung bzw. Unterstützung auf Augenhöhe.
Der Lehrgang startet am 6. Oktober. In fünf weitere Module gibt der Lehrgang unter Anderem konkrete Impulse zur Organisation und Koordination des freiwilligen Engagements. Der Lehrgang wird für Ehrenamtliche kostenfrei angeboten.
Mitveranstalter
Diakonie Flüchtlingsdienst, Plattform Asyl - FÜR MENSCHENRECHTE, TSD, MCI, Caritas, Rotes Kreuz Tirol
Ausstellung über "Gastarbeiter" in Imst, 2019
Die Arbeitsmigration der 1960er und 70er Jahre hat die Städte und Gemeinden Tirols nachhaltig geprägt und verändert. Einen wichtigen Grundstein für diesen mäßig erforschten Teil der Tiroler Geschichte, hat die Ausstellung Hier zuhause. Migrationsgeschichten aus Tirol im Tiroler Volkskunstmuseum im Jahr 2017 gelegt.
Nun macht sich auch die Stadtgemeinde Imst daran, ihre eigene Geschichte der Arbeitsmigration zu erforschen und erarbeitet im Moment ein Ausstellungsprojekt, das vom Museum im Ballhaus Imst geleitet wird und in Kooperation mit dem Integrationsbüro Imst entsteht. Ziel der Ausstellung, die nächstes Jahr präsentiert wird, ist es unter Anderem, ein Bewusstsein für Arbeitsmigration als Teil der gemeinsamen Geschichte des Bezirkes Imst zu bilden.
Unterstützt wird das Projekt von Bund, Land Tirol, Europäischer Union, und Regionalmanagement Imst.
Fortbildungen für TrainerInnen und BeraterInnen: Symbolarbeit und MIgrationsgeschichte(n)
Im Rahmen des Projektes Perspektivenwechsel werden auch im Herbst 2018 wieder zwei Fortbildungen angeboten, die einerseits die praxisbezogene Methode der Symbolarbeit vorstellen und andererseits Hintergrundwissen über österreichische Migrationsgeschichte(n), Diversität und Kultur vermitteln.
Symbolarbeit in der Basisbildung
Donnerstag, 8. und Freitag, 9. November 2018 im BFI Tirol (1,5 Tage)
Österreichische Migrationsgeschichte(n), Diversität und Kultur in der Basisbildung
Freitag, 23. November 2018, 9.00 bis 17.30 Uhr im BFI Tirol
Mehr Infos
Konferenz NIC 2018: Bildung in der Fluchtgesellschaft
Von Donnerstag, 15.11.2018 bis Freitag, 16.11.2018 findet in der Katholisch-Theologische Fakultät (Karl-Rahner-Platz 1) in Innsbruck die 7. Networking Inter Cultures NIC-Konferenz Bildung in der Fluchtgesellschaft statt.
Flucht, globale Not und Ungleichheit sind Schlüsselthemen unserer Zeit. Es gibt vielfältige Gründe, warum Menschen ihre angestammten Orte verlassen, um ihr Überleben zu sichern. Wenn sich an den Ursachen wie Hunger, Kriege, Klimawandel und der Weltwirtschaftsordnung nichts ändert, werden Fluchtbewegungen auch in Zukunft für viele Millionen Menschen eine Überlebensfrage sein. So lange es globale Fluchtursachen gibt, werden Menschen nach Europa kommen, ob es uns gefällt oder nicht. Unsere Gesellschaften werden sich verändern, vielfältiger und komplexer werden. Diese Entwicklung stellt insbesondere für die Bildung eine enorme Herausforderung dar. Bildungsinstitutionen wie Kindergärten, Schulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen und vor allem Hochschulen im deutschsprachigen Raum haben bisher kaum oder nur punktuell darauf reagiert bzw. konzeptionelle Konsequenzen daraus gezogen.
Die NIC-Konferenz bietet den AkteurInnen unterschiedlicher Felder einen Rahmen, um entlang gemeinsamer Fragen die existierenden Konzepte, Ansätze und Perspektiven zu reflektieren und dabei neue Handlungsräume zu entwickeln. Aus der kritischen Auseinandersetzung können neue Impulse und Ideen hervorgehen, die für ein zeitgemäßes Bildungskonzept angesichts der Flucht und mit geflüchteten Menschen relevant sind.
Anmeldung erforderlich bis 10. November bei
Erol Yildiz
0043512-507 40042
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Kosten: 20 Euro / 10 Euro für Studierende
Veranstalter
Institut für Erziehungswissenschaft / Fakultät für Bildungswissenschaften / Österreichische Gesellschaft für politische Bildung / Interkulturelles Zentrum Wien / Universität Bozen / Institut für Zeitgeschichte / Forschungszentrum Migration und Globalisierung / Doktoratskolleg Dynamiken von Ungleichheit und Differenz im Zeitalter der Globalisierung
Gefördert von Land Tirol
Buchtipp "Postmigrantische Visionen. Erfahrungen – Ideen – Reflexionen"
Um das Verhältnis zwischen Migration und Gesellschaft neu denken zu können, kehren Marc Hill und Erol Yildiz etablierte Gewissheiten um und beziehen die Erfahrung von Migration mit ein. Ihr Fokus richtet sich auf geteilte Geschichten, aus denen sich die Vielheit des urbanen Zusammenlebens erschließt. Migration wird so zum Ausgangspunkt weiterer gesellschaftlicher Analysen gemacht. Postmigrantische Visionen fungieren als Analysekategorien für soziale Situationen von Mobilität und Diversität, machen Mehrdeutigkeit und marginalisierte Erinnerungen sichtbar, die zentrale gesellschaftliche Verhältnisse artikulieren. Kontrapunktische Ideen werden ins Blickfeld gerückt, ohne jedoch Dominanzverhältnisse und strukturelle Barrieren zu übersehen. Die Publikation enthält Beiträge u.a. von Gerhard Hetfleisch, Karl Berger, Wolf-D. Bukow, Naika Foroutan, Wladimir Kaminer, Tunay Önder, Regina Römhild und Mark Terkessidis.
Postmigrantische Visionen. Erfahrungen – Ideen – Reflexionen
Herausgeber Marc Hill, Erol Yildiz
Transcript Verlag
Bielefeld 2018
Linktipps
Artikel
Interview mit Migrationsforscherin Naika Foroutan für den Tagesspiegel
Migrationsforscherin Naika Foroutan spricht im Interview mit dem Tagespiegel über die Entmoralisierung der Gesellschaft durch rechte Extreme, über die Ausgrenzung der Ost-Deutsche als „MigrantInnen“ und stellt Fragen, die wir uns alle heute stellen sollen. Sie war im November 2017 Key-Note-Sprecherin bei der 8. Tiroler Integrationsenquete "Mit Gottes Hilfe?".
Video
Zahlen und Fakten: Globalisierung – Migration
Im Jahr 2017 lebten weltweit 258 Millionen Menschen in Staaten, in denen sie nicht geboren wurden. Davon lebte mehr als die Hälfte in nur zehn Staaten. Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung zeigt in diesem Film die wichtigsten Zahlen zur weltweiten Migration.
Online-Spiel
Der kleine Populist
Eine Wahl hast du nur, wenn du auch weist, was hinter den Worten und Argumenten steckt, die dich überzeugen sollen. Der Bremer Jugendring ist dem „kleinen Populisten“ auf seiner unermüdlichen Reise des politischen Stimmenfangs gefolgt. Auf zwölf Feldern werden populistische Argumentationsstrategien aufgespürt und nachverfolgt sowie mit Anregungen zum Selber-Denken herausgefordert.
Stellenangebot
Das ZeMiT bietet ab 01.01.2019 eine freie Zivildienststelle!
Interessenten melden sich bitte bei ZeMiT telefonisch unter der Nummer 0512 577 170 oder unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Mehr über das Zentrum für MigrantInnen in Tirol ist hier zu lesen.
Gastkommentar
In der Rubrik „Gastkommentar“ lädt das IMZ VertreterInnen von NGO´s, WissenschaftlerInnen und ExpertInnen aus dem Bereich Migration und Integration das aktuelle politische Geschehen unter die Lupe zu nehmen und kritisch zu hinterfragen.
Diesmal geht Gerhard Hetfleisch, Geschäftsführer des ZeMiT, der Frage nach Flüchtlinge oder Migrant_innen. Wer gefährdet und beeinflusst hier wen?
Bilder: links Graffiti Viana do Castelo (Portugal), rechts Graffiti Innsbruck
Drei Jahre sind es her, dass „der lange Sommer der Flucht“ 2015 ins Land zog.[i] Bis in den Frühling 2016 hinein suchten etwa eine Million Menschen aus Syrien, Afghanistan und diversen Ländern Afrikas Zuflucht in vielen Ländern Europas. War das Meer überwunden, wurden die Balkanstaaten zur Fluchtroute in den Norden. Zehntausende entrichteten auf ihrem Fluchtweg Charon den Obolus und riskierten dann ihr Leben, auf der Fahrt über das Mittelmeer an Bord von „Seelenverkäufern“ zusammengepfercht. Viele verschwanden spurlos in den Wogen, wenige wurden irgendwo als Treibgut angeschwemmt, wie beispielsweise der medial ins Bild gerückte und so zur Ikone im Fluchtgeschehen erhobene Körper des Knabe Alan Kurdî „am Urlaubsstrand von Bodrum“.[ii] Der Tiroler Dramatiker Martin Plattner hat in der Figur der „Dunkelziffer“ im Theaterstück Ferner, das am 4. März 2018 am Landestheater in Innsbruck Premiere hatte, den Toten ein makabres Gesicht verliehen: „Es handelt sich dabei um eine Einzelstimme im Weiß, die sich aus den Stimmen von geflohenen, im Mittelmeer ertrunkenen, Menschen speist – seltsamerweise spricht die Dunkelziffer Deutsch [Regieanweisung].“
Die in diesen Monaten des „Sommers der Flucht“ in den wichtigsten Aufnahmeländern erkennbare solidarische Grundstimmung breiter Bevölkerungskreise schlug Anfang 2016 in eine vor allem medial getragene und vermittelte deutliche Ablehnung um, auf der populistische bis rechtsextreme Politiker verbal und real neue eiserne Vorhänge errichteten, die den Korridor der Flucht sperrten. Jene Flüchtlingen, die es nicht in den ersten Monaten 2015 in die aufnahmebereiten Länder der EU geschafft hatten erwartet heute ein immer tiefer gestaffeltes System an Grenz-, Arbeits-, Aufenthalts- und Integrationsregimen, und vermehrt die Rückschiebung. Und die niedergelassenen Flüchtlinge in den Ländern Europas sind mit zunehmenden Alltagsrassismen und Diskriminierungen konfrontiert. Da auch die wichtigen Ein- und Aufstiegshilfen seit dem Jahr 2017 wieder schrittweise demontiert werden, wird es für die Flüchtlinge immer schwieriger den Weg in die Mitte der Gesellschaft zu schaffen. Damit legt man heute wie damals in den unseligen Zeiten der „Gastarbeiter“-Migration[iii] den Grundstein für eine neu aufgelegte „Integrationsdebatte“. Die Skala der restriktiver agierenden Länder Europas reicht von Österreich und auch Italien hin zu Staaten mit einer völligen Verweigerung von Flüchtlingshilfe, wie dies in Orbans und Kaczyński´s autoritären Demokratien der Fall ist.
Das Fluchtgeschehen wird damit zum Motor jener Politiken die im Bündnis wesentlicher Fraktionen der Eliten mit dem „Bodensatz“ der europäischen Gesellschaften, quer durch alle Schichten, die autoritären und autokratischen Nationalstaaten alter Ordnung restaurieren.
Es sind demnach nicht die Flüchtlinge, die „unsere“ Gesellschaften brüchig werden lassen und Gleichberechtigung aufs Spiel setzen. Der wirklich nachhaltige Angriff – beispielsweise auf Rechte von Frauen – geht auch nicht von Flüchtlingen aus „patriarchalen Kulturen“ aus, wie oberflächliche „Analysen“ nahelegen. Er geht von politischen Kräften aus, die der Hierarchisierung der Gesellschaft das Wort reden und dieser den Boden bereiten, und auf der Klaviatur konservativ-populistischer bis autoritärer Stimmungen und Haltungen in Teilen der Bevölkerung perfekt ihr Spiel spielen. Beleg und Beispiel dafür ist der Umgang mit der Flüchtlingsfrage. Es sind die Totalitären und Hierarchen die zu den Totengräbern der auf den Grabstätten von Millionen Opfern zweier europäischer Kriege (die zu Weltkriegen wurden) errichteten europäischen Nachkriegsordnung werden, die eine solidarischere und gerechtere Gesellschaften in Europa möglich gemacht hat und diese stabilisierte. Robert Menasse hat bereits 2012 die Weggabelung treffend beschrieben, vor der „wir“ gestellt sind: „Entweder geht das Europa der Nationalstaaten unter, oder es geht das Projekt der Überwindung der Nationalstaaten unter.“[iv] Ein noch relativ friedlich gestimmtes Europa zeigt heute deutliche Züge des möglichen Untergangs. Die Auflösung Europas in ein Mosaik autoritärer und auseinander driftender und in Konkurrenz zueinander stehender Nationalstaaten wird wahrscheinlicher. Robert Menasse schreibt auch, dass vor den großen Kriegen die „Kulmination des entfesselten Nationalismus zu jenem grauenhaften Menschheitsverbrechen geführt [hat], für das ‘Auschwitz’ heute als Chiffre steht“.[v] Wer heute Flüchtlinge in eine Art Konzentrationslager stecken möchte, die vom österreichischen EU-Ratsvorsitzenden als „Anlandeplattformen“ schön geredet werden, wer eiserne Vorhänge hochzieht, Flüchtlinge zu Wirtschaftsflüchtlingen macht oder sie als Asyltourist_innen denunziert, trägt dazu bei, einem vergangen geglaubten Albtraum im modernen Gewande wieder den Boden zu bereiten. Die Friedenszeit in Europa ist vorbei und dafür sind nicht die Flüchtlinge verantwortlich.
Bild: Graffiti Innsbruck
Fußnoten
[i] Wefing, Heinrich, Wie 1989, in: Zeit online, 10.9.2015, in:
[http://www.zeit.de/2015/35/fluechtlinge-grenzen-europa-wiedervereinigung] (eingesehen am 16.9.2018).
[ii] Philipp Ther (2017), Die Außenseiter. Flucht, Flüchtlinge und Integration im modernen Europa, Berlin, 23.
[iii] Vgl. Ausstellung „Hier zuhause. Migrationsgeschichten aus Tirol“ (2018), online www.hier-zuhause.at.
[iv] Robert Menasse (2012), Der europäische Landbote. Die Wut der Bürger und der Friede Europas, Wien, 107.
[v] Ebd. 8.
Der Beitrag ist in der Ausgabe 4/2018 des Informationshefts „zum Beispiel – Beiträge zur Jugendarbeit in Südtirol und Tirol“ erschienen.
Das IMZ ist ein gemeinsames Projekt von Land Tirol /Abteilung Gesellschaft und Arbeit - Integration und ZeMiT.