IMZ-Newsletter #48 Juni 2021
Diesmal mit folgenden Themen:
Gastkommentar Walter Sauer Warum Angelo Soliman (†1796)?
Kommentar Gerhard Hetfleisch Rassismus und Deutschnationalismus als Wegweiser in den Abgrund
- Al Lavoro!: Aktuelle Sonderausstellung im Tiroler Volkskunstmuseum in Kooperation mit dem ZeMiT
- Stadtspaziergang: Wie italienisch war Innsbruck? (17.6.) und weitere Termine
- Rassistisches Profiling in Österreich im EU-weiten Vergleich
- 13 Jahre sind eine gute Zeit: Die Plattform Bleiberecht verabschiedet sich aus der Szene
- „Beziehungsweise Lernen“: Neues Vereinslokal und aktuelle Angebote
- Sommerprogramm für Eltern und Kindergartenkinder: „Brücken bauen“
- Sozialroutenplan für Westösterreich
- Mein Ausbildungsweg: Ausstellung des Z6 und der ARGE Jugendcoaching
und wie immer
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Warum Angelo Soliman (†1796)?
Gastkommentar von Walter Sauer zum Film Angelo (Neu in der BIM)
Schwarze Sklavinnen und Sklaven gab es etliche im Wien des 18. Jahrhunderts, bis heute am bekanntesten aber ist Angelo Soliman. Schon 1807, elf Jahre nach seinem Tod, erschien eine erste, noch sehr unvollständige Biographie, verfasst von der Wiener Schriftstellerin Caroline Pichler. Seither haben sich zahllose Wissenschaftler/innen, Literaten, Musiker, Filmemacher/innen usw. mit ihm beschäftigt. Markus Schleinzers Film „Angelo“ ist eine der aktuellsten Produktionen. Warum fasziniert uns Angelo Soliman – sogar heute noch?
Makita Samba verkörpert Angelo als erwachsenen Mann. Filmstill
Mich persönlich interessiert das Emanzipatorische an seiner Biographie. Aus der afrikanischen Heimat wurde er vermutlich Anfang der 1720er Jahre von Sklavenjägern verschleppt und nach Europa verkauft. In Sizilien wurde er getauft und erhielt den Familiennamen seiner Besitzerin – Gräfin Sollima. Sie schenkte den jungen Angelo dem österreichischen General Lobkowitz.
1754 ist das erste schriftlich belegte Datum in Solimans Leben – er wurde als Kammerdiener des Fürsten Liechtenstein eingestellt, das war eine gute Position. 1764 nahm er als „Aufputz“ an den Feiern zur Kaiserkrönung in Frankfurt teil. Offenbar brachte die Reise aber für ihn eine entscheidende Wende: Im Glücksspiel gewann er eine hohe Summe. Einen Teil des Geldes investierte er als „Kleinaktionär“ in die Erschließung des Bergbaus in Schladming. Darüber hinaus bereitete er die Gründung eines eigenen Haushalts vor und kaufte über Umwege einen Wohnsitz in der Vorstadt (heute Wien 3). Am 6. Februar 1768 heiratete er die Witwe Magdalena Christiano, geb. Kellermann.
Beides verstieß gegen die Ordnung am Liechtensteinischen Hof, und demzufolge wurde Soliman vom Fürsten entlassen. Damit verlor er zwar Arbeit und Unterkunft, konnte aber gemeinsam mit Magdalena ein bürgerliches Familienleben beginnen. Ein Sieg nach Punkten gegen einen der mächtigsten Würdenträger der Monarchie!
Auf Dauer war ein Alltagsleben ohne Einkommen freilich schwierig. In zähen Verhandlungen konnte sich Soliman 1773 die Rückkehr an den liechtensteinischen Hof und eine Art von „Dienstverhältnis“ sichern. 1781 wurde er in die Freimaurerloge „Zur Wahren Eintracht“ aufgenommen, ein Sammelpunkt der bürgerlichen Elite der Stadt. Soliman kam in persönlichen Kontakt mit Ignaz von Born, Haydn und Mozart – um nur einige Prominente zu nennen.
Seit Ende 1783 befand er sich in Pension. Anfang der 1790er Jahre übersiedelten er und Tochter Josefine ins Haus „Zum Rothen Mandl“ (heute ein Teil des Kulturforums auf der Freyung). Von der politischen Entwicklung, die nach dem Tod Josephs II. wieder in Richtung konservativ ging, war er offensichtlich enttäuscht. Am frühen Nachmittag des 21. November 1796 erlitt er einen Schlaganfall und verstarb.
Jetzt die Geschichte nach seiner Geschichte: Mittlerweile hatte das kaiserliche Naturalienkabinett die Überlassung von Solimans Körper beantragt. In einem Hof der heutigen Nationalbibliothek wurde er zum Ausstellungsobjekt präpariert. Proteste der Tochter und des Wiener Erzbischofs gegen die pietätlose Leichenschändung blieben erfolglos, ab 1797 wurde Solimans ausgestopfter Körper für einige Jahre im Museum ausgestellt, zusammen mit drei anderen und mit tropischen Tieren (alle Präparate verbrannten 1848).
Ein rassistisches Verbrechen, zweifellos, das einen tiefen Einblick in die Geisteshaltung führender Kreise – und vor allem der entstehenden Naturwissenschaft – gewährt. Aber Soliman nur aus dem Blick dessen zu sehen, was nach seinem Tod mit ihm geschah, reduziert ihn auf die Opferrolle, gegen die er zeitlebens angekämpft hatte. Als rechtloser Verschleppter nach Europa gekommen, konnte Soliman mit Glück, aber auch mit Menschenkenntnis und Bildung eine gute Position in der Wiener Gesellschaft erreichen – das ist aus meiner Sicht faszinierender als die dunkle Wiener Mythologie, die sein Leben überschattet.
Walter Sauer, Juni 2021
Univ.-Prof. Dr. Walter Sauer forscht und lehrt am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Geschichte Afrikas, den österreichisch-afrikanischen Beziehungen, sowie der Afrika-Rezeption in der Kulturgeschichte Österreichs.
Publikationsliste Walter Sauer
Rassismus und Deutschnationalismus als Wegweiser in den Abgrund
Kommentar von Gerhard Hetfleisch
In der Nach vom 3. auf den 4. November 1904 wurden in der Herzog-Friedrich-Straße vor dem Gasthof Weißes Kreuz und dem Gasthaus Goldene Rose 10 Menschen zum Teil schwer verletzt, auch durch Pistolenschüsse. Nach Mitternacht ließ der Statthalter die Kaiserjäger mit gefälltem Bajonett gegen die Menge vorgehen, wobei am Burggraben der ladinische Maler August Pezzey durch den Stich des Bajonetts eines Kaiserjägers tödlich verletzt wurde.
Zerstörte italienische Rechtsfakultät der Universität Innsbruck in der Liebeneggstraße No. 8 © Innsbrucker Stadtarchiv
Anlass für das harte Durchgreifen waren Übergriffe von Demonstrierenden unter Federführung deutschnationaler Burschenschaften gegen rund 160 italienischsprachige Studierende aus Innsbruck, Wien und Graz, darunter die Abgeordneten Cesare Battisti und Alcide De Gasperi, die nach der Eröffnung der Italienischen Rechtsfakultät der Universität Innsbruck am 3.11.1904 feuchtfröhlich in den Gasthöfen der Altstadt feierten. In der Nacht und am folgenden Tag wurden zahllose Geschäfte, Gaststätten, Türen zu Ordinationen, Büros und Wohnungen italienischsprachiger Tiroler*innen demoliert. Die Inneneinrichtung der Italienischen Rechtsfakultät in der Liebeneggstraße – heute ist dort die Erziehungswissenschaft untergebracht – wurde mit Krampen in alle Bestandteile zerlegt, die Fenster eingeschlagen, Tür- und Fensterstöcke demoliert.
Die Ereignisse nehmen jene zukünftigen vorweg, die mit dem Novemberpogrom der Nazis 1938 in Innsbruck ihren Tiefpunkt erreichten. Die Fatti di Innsbruck hatten aber auch eine lange Vorgeschichte. Die Entfremdung zwischen der italienisch- und deutschsprachigen Bevölkerung der Grafschaft Tirol reifte zuerst langsam heran und spitzte sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr zu. Die Bewohner des Gebietes des heutigen Trentino wurden als „Walsche“ abgewertet, die Mehrheitsbevölkerung sah sich zusehends als „deutsch“. Zündler warnten vor „Verwälschung“. Einige italienfreundliche Irredentist*innen gaben ebenso wie viele deutschtümelnde Nationalist*innen und Rassist*innen den Brandbeschleuniger ab, der den Boden zum letztendlichen Untergang der Gefürsteten Grafschaft Tirol mit den Landesteilen Tirol, Südtirol, Trient/Rovereto 1918 bereitete. Der Totentanz am Misthaufen der abwertenden und diskriminierenden Ideologien nährte sich von den zahllosen Verwerfungen der Habsburgermonarchie, obwohl es lange in Tirol ein mehrsprachiges und relativ friedliches Nebeneinander gab. Davon zeugen 790 italienischsprachige und über 1000 deutschsprachige Schulen, aber auch die zweisprachigen Gesetzestexte, Verordnungen wie die freie Rede in beiden Sprachen im Landtag.
Das Wort Rassismus gab es zu dieser Zeit noch nicht, aber umso unbefangener wurde von „Rassen“ gesprochen und der Antisemitismus war in Tirol weit verbreitet. Die Entwicklung hin zu den Fatti di Innsbruck gibt den Blick frei für die zerstörerische Kraft, die von populistisch agierenden politischen Eliten im gesellschaftlichen Krisenkontext ausgehen kann. Zugleich aber auch auf die innere „Rationalität“ von Ausgrenzungs- und Abwertungsideologien, die zu Akzeleratoren von gesellschaftlichen Konflikten werden, die sich der Tendenz nach gewaltförmig aufschaukeln können.
Mit einem Fokus auf Arbeit in allen Facetten wird in der Ausstellung Al lavoro! im Tiroler Volkskunstmuseum bis zum 26. Oktober 2021 dieses beispielhafte vergangene Geschehen aufgearbeitet, wodurch die Gegenwart in ihrer Potenz auf ein ähnliches Ende hin greifbarer wird. Es geht darum Rassismen und Sexismen rechtzeitig entgegenzutreten und ihren ideologischen Grundlagen im gesellschaftlichen Dispositiv den Boden zu entziehen. Schon gut erkennbar steuern unsere angeblich so moderne Gesellschaften aus ähnlichen ungelösten Konflikten – verschärft durch die besonderen Krisen unserer Zeit – dem nächsten Abgrund näher.
Die bei den Fatti di Innsbruck zerstörte Schwemme im Weißen Kreuz in der Altstadt. © Stadtarchiv Innsbruck
Dieses deutschnationale Pamphlet kehrt nach einem heute noch aktuellen Muster populistischer Propaganda die Täterrolle um und stilisiert die eigenen Taten als gerechtfertigte Reaktion © Stadtarchiv Innsbruck
AL LAVORO! GESCHICHTE BEWEGT
Von Mobilität bis Migration: Zum Euregio-Museumsjahr 2021 präsentieren die Tiroler Landesmuseen zwei Sonderausstellungen. Al Lavoro! im Tiroler Volkskunstmuseum wurde in Kooperation mit dem ZeMiT entwickelt.
© Innsbrucker Nachrichten
SONDERAUSSTELLUNG IM VOLKSKUNSTMUSEUM: AL LAVORO!
Seit dem Spätmittelalter ist Tirol ein mehrsprachiges Land. Der Kontakt zwischen den deutsch- und den italienischsprachigen Gebieten ist intensiv, die kulturellen und sprachlichen Unterschiede spiegeln die Vielfalt des Landes wider. Im 19. Jahrhundert führen politische und wirtschaftliche Veränderungen zu einer verstärkten Migrationsbewegung. Viele Trentinerinnen und Trentiner ziehen in den nördlichen Landesteil, um dort im Eisenbahnbau, im Baugewerbe oder in der Textilindustrie zu arbeiten oder eine Ausbildung zu absolvieren. Innsbruck wird mehrsprachig.
Erst nationalistische Sichtweisen und die von deutschnationalen Eiferer*innen propagierte „Verwälschung“ führen zu Spannungen: Gesellschaftliche Konflikte werden zu Sprachproblemen umgedeutet. Die Unfähigkeit, dem Trentino Autonomie zuzugestehen, ist weiterer Nährboden. Diese Zeit prägt das Erscheinungsbild Tirols bis heute. Die Spannungen eskalieren 1904 in den „Fatti di Innsbruck“, blutigen Auseinandersetzungen zwischen italienischsprachigen und deutschnationalen Studierenden. Das Italienische wird in Tirol zunehmend als Fremdkörper wahrgenommen.
Die Sonderausstellung ist eine Kooperation mit dem Zentrum für MigrantInnen in Tirol (ZeMiT). Sie führt einen Ausstellungsschwerpunkt fort, durch welchen Migration einen sichtbaren Platz im Museum und in der Geschichtsschreibung Tirols erhält.
Ausstellungs- und Kurator*innenteam: Karl Berger, Gerhard Hetfleisch, Antonia Pidner
Stadtspaziergang: "Wie italienisch war Innsbruck?" und weitere Termine
Man vermutet nicht, wie italienisch Innsbruck einmal war. Die italienischen Geschäfte, Studentenvereine und Gasthäuser, die italienischen Studierenden, Arbeiterinnen und Arbeiter, Dienstbotinnen und Beamte in Innsbruck gaben der Stadt eine unverkennbar italienischsprachige und kulturelle Note. Der Stadtspaziergang führt uns zu Wegmarkierungen einer vergangenen Ära, die heute noch in Spuren an Innsbruck ablesbar sind und ist eine Veranstaltung des Volkskunstmuseum in Kooperation mit dem Zentrum für Migrant*innen in Tirol.
Nächster Termin mit Anita Konrad und Gerhard Hetfleisch: Do.17.6, um 16:00 Uhr, Treffpunkt: Tiroler Volkskunstmuseum
Anmeldungen bis Mi. 16.6. 12 Uhr unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! T +43 0512 594 89-111
Nähere Informationen
Drei weitere Termine: Do. 16.9.2021, 16 Uhr und Do. 23.9. sowie Do. 7.10.2021, 14 Uhr
Außerdem: KURATORENFÜHRUNGEN zu AL LAVORO! IM VOLKSKUNSTMUSEUM
So 26.8.21 von Karl Berger
So 26.9.21 von Gerhard Hetfleisch
jeweils um 11 Uhr, am So. 26.9.21 bei freiem Eintritt
© Stadtarchiv Innsbruck
Rassistisches Profiling in Österreich im EU-weiten Vergleich
Menschen afrikanischer Abstammung stoßen nicht nur in den USA auf ausgeprägte und tiefsitzende Vorurteile und Ausgrenzung. Rassendiskriminierung und rassistisch motivierte Belästigung sind auch in der EU an der Tagesordnung. Eine europaweite Studie zum Racist Profiling offenbart Österreich als skandalösen Europameister.
© dpa
Der Begriff „Rassistisches Profiling“ bezeichnet alle Formen von diskriminierenden Personen- und Fahrzeugkontrollen gegenüber Personengruppen, welche von den PolizeibeamtInnen als ethnisch oder religiös anders wahrgenommen werden. In der Praxis wird dieser Vorwurf vor allem im Zusammenhang von Personenkontrollen durch die Polizei und die Grenzschutzbehörden erhoben, und zwar dann, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind:
- Das Verhalten der kontrollierten Person gibt keinen Anlass für die Personenkontrolle.
- Die kontrollierte Person wird aufgrund ihres Erscheinungsbilds von den Sicherheitsbeamten als ethnisch oder religiös anders oder fremd
Treffen in einem Fall beide Voraussetzungen zu, handelt es sich um eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, also nicht rechtskonforme rassistische Diskriminierung.
Allerdings ist das Ausmaß von Rassistischem Profiling in der EU weitgehend umstritten, vor allem wenn es um die Frage geht, ob es sich hier um ein institutionelles Problem der Polizei, oder eher um ein spezifisches Problem einzelner PolizeibeamtInnen handelt. Betroffene und ExpertInnen fordern, dass die Polizei als Institution den Nachweis erbringen muss, dass sie alle nötigen Vorkehrungen getroffen hat, um Rassistisches Profiling zu verhindern. Während dessen bleiben subjektive Erfahrungen von Angehörigen bestimmter ethnischer oder religiöser Gruppen ein wichtiges Indiz dafür, dass ganze Bevölkerungsgruppen systematisch unter Generalverdacht gestellt werden.
Um das Vorkommen von Rassistischem Profiling in der EU mit Zahlen zu untermauern, wurden von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) statistische Daten darüber erhoben, wie oft Menschen von der Polizei angehalten werden, in welchen Situationen sie angehalten werden, welche Maßnahmen die Polizei bei den Kontrollen ergreift und welche Ansichten darüber bestehen, ob die Polizei respektvoll gehandelt hat oder nicht.
Eine Gegenüberstellung der erhobenen Erfahrungen von Menschen, die sich einer ethnischen Minderheit zugehörig fühlen mit den Erfahrungen der Allgemeinbevölkerung ergab, dass in Österreich die Polizei überproportional oft Menschen mit afrikanischer Herkunft anhält (siehe Abb. 1-2): Hochgerechnet 25 Prozent aller Befragten in Österreich gaben an, von der Polizei in den 12 Monaten vor der Umfrage angehalten worden zu sein. Davon gehören 49 Prozent einer bestimmten ethnischen Minderheit an, die durch ihre Hautfarbe klar identifizierbare Personen aus Afrika südlich der Sahara (siehe Abb. 1) sind.
Abb. 1: Von der Polizei in den 12 Monaten vor der Umfrage angehalten; nach Land – Allgemeiner Bevölkerungsdurchschnitt und nach Minderheitengruppen Erhebung
Ähnlich großes Ungleichgewicht zwischen Anhaltungen aller und Anhaltungen bestimmter Gruppen weisen im EU-weiten Vergleich nur noch Griechenland (18:33) und Kroatien (19:33) auf, allerdings handelt es sich in diesen Ländern um Angehörige der Roma- und Sinti-Community. Die Erfahrungen der Befragten unterscheiden sich auch in Hinblick auf die Kontexte, in denen sie angehalten wurden. Bei der „Allgemeinbevölkerung“ in Österreich wurden 87 % der Polizeikontrollen durchgeführt, wenn die Personen mit einem Fahrzeug unterwegs waren. Im Gegensatz dazu wurden 72 % der People of Colour kontrolliert, als sie zu Fuß an öffentlichen Plätzen unterwegs waren. Wenn es um die Wahrnehmung der Befragten geht, ob die Polizei respektvoll war oder nicht, variiert sie je nach Land und ethnischer Zugehörigkeit. Während 76 % der Allgemeinbevölkerung in Österreich der Meinung war, dass die Polizei bei der letzten Kontrolle respektvoll war, fanden nur 26 % der befragten People of Colour, dass sich die Polizei respektvoll verhalten hat.
Quellenangabe:
Polizei hält Schwarze überproportional oft an
European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) (2021), Your rights matter: Police stops, Fundamental Rights Survey, Luxembourg, Publications Office
13 Jahre sind eine gute Zeit: Die Plattform Bleiberecht verabschiedet sich aus der Szene
Die Plattform Bleiberecht Innsbruck hat sich nach über 13 Jahren als antirassistischer Zusammenschluss aufgelöst und dazu folgende Aussendung verfasst.
Es wurde uns in den Monaten der Pandemie immer mehr bewusst, dass wir aufgrund unserer Lebens- und Lohnarbeitssituationen nicht mehr in der Lage sind, unseren eigenen Ansprüchen politischer Arbeit gerecht zu werden. Als notwendige Konsequenz daraus haben wir uns dazu entschlossen, unsere politische Arbeit mit Mai 2021 einzustellen.
Die Plattform Bleiberecht Innsbruck konnte seit 2007 die antirassistische Bewegung in Tirol mitgestalten – mit Erfolgen aber auch mit Rückschlägen. Zusammen mit anderen Organisationen, Bündnissen und Einzelpersonen, aber vor allem mit Betroffenen eines rassistischen Aufenthalts- und Rechtssystems organisierten wir Kundgebungen, Demonstrationen und Vorträge und luden im Monatsrhythmus zu offenen Treffen in der Südwind-Bibliothek beim Innsbrucker Weltladen. Uns war es immer ein Anliegen unsere Arbeit und die der gesamten Bleiberechtsbewegung in Tirol zu dokumentieren. Die Website und die Facebookseite der Plattform Bleiberecht bleiben als Archiv über einen Teil des antirassistischen und antifaschistischen Widerstands in Tirol weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich, werden aber nicht mehr erweitert. www.plattform-bleiberecht.at/
Die Plattform Bleiberecht verabschiedet sich nach 13 Jahren antirassistischer Arbeit aus der Szene. ©Plattform Bleiberecht
In den letzten Jahren haben sich viele neue, junge und kreative Gruppen gebildet, die sich dem herrschenden Migrations- und Abschieberegime mit Worten und Taten entgegenstellen. Diesen Bewegungen wollen wir solidarisch zur Seite stehen. Antirassistische Arbeit kann nie für sich alleine stehen, sondern muss in eine umfassende Kritik von Geschlechter- und Kapitalverhältnissen gestellt werden, und sich klar gegen faschistische und autoritäre Tendenzen wenden – im Alltag, in der Arbeitswelt, in den Medien, in den Parlamenten, im Sport und auf der Straße.
Never let the fascists have the streets!
Für das Recht zu bleiben, für das Recht zu gehen!
Gegen Rassismus, Sexismus und Faschismus!
Aussendung der Plattform Bleiberecht Innsbruck, 8. Mai 2021
„Beziehungsweise Lernen“: Neues Vereinslokal und aktuelle Angebote
Das neue Vereinslokal von „Beziehungsweise Lernen“ befindet sich im Innsbrucker Stadtteil St. Nikolaus, in der Innstraße 2. Im geschichtsträchtigen Turnus-Vereinshaus werden seit Februar 2021 Angebote organisiert, die das Lernen in Beziehung von Zugewanderten mit (native-) Deutschsprachigen fördern und ermöglichen.
„Deutsch als Freund*insprache“ in Aktion. © Beziehungsweise Lernen
An den Vormittagen findet das Sprachtrainingsprogramm „Deutsch als Freund*insprache“ statt, welches Lernen rund um Aktivitäten wie Kochen, Backen oder Nähen organisiert. An den Nachmittagen wird das transkulturelle Erzähl- und Sprachlerncafé „Gemeinsam“ angeboten und bietet eine besondere Unterstützung für Personen, die sich sprachlich schwertun und verbessern wollen. Außerdem werden im Erzählcafé regelmäßig Gäste eingeladen, die von ihrem Leben, ihrem Beruf, ihren Hobbies oder auch von ihrer Fluchtgeschichte erzählen. Die wiedergewonnene Freiheit nach dem Lockdown wird auch dazu genützt, neue Formate entsprechend den Potentialen und Interessen der BesucherInnen zu entwickeln: Vom gemeinsamen Frühstück, über Sportangebote bis hin zu musikalischen Veranstaltungen ist hier vieles möglich.
Ein Blick in das neue Vereinslokal. © Beziehungsweise Lernen
Da die öffentlichen Förderungen nicht den gesamten Finanzierungsbedarf decken, stehen die Räumlichkeiten des Vereins auch zur Untermiete zur Verfügung. Außerdem werden Kaffee und Kuchen, der Mittagstisch oder selbstgenähte Produkte zu Wertschätzungsbeiträgen angeboten.
Hier geht`s zum aktuellen Programm.
Lernen in Beziehung Kommentar von Ayse Maluhan, DSA.in, MA
Sommerprogramm für Eltern und Kindergartenkinder: „Brücken bauen“
Das Projekt „Brücken bauen“ – ein von ESF und Land Tirol gefördertes Unterstützungsangebot für Eltern/Erziehungsberechtigte von Kindergartenkindern – wird auch im Sommer ein vielfältiges Angebot schaffen. Spielplatzaktionen, Sprachförderung, Informationsveranstaltungen, Rätsel-Rallye und vieles mehr erwartet Eltern und ihre Kinder.
© Mafalda Rakos
Innsbruck
„Brücken bauen“ ist Teil des Netzwerkes „FiFi – Familien im Fokus Innsbruck“. Fifi organisiert in Innsbruck an vier verschiedenen Spielplätzen tolle Aktionen und spannende Angebote für Eltern und Kinder. Während die Kleinen den Spielespaß genießen, können sich die Eltern/Erziehungsberechtigten beraten lassen und Informationen zu den verschiedensten Anliegen einholen. Außerdem wird Brücken bauen auch im Rahmen des Innsbrucker Ferienzuges Workshops für Kindergartenkinder anbieten. Von Juni bis September gibt es jeden Dienstag zwischen 15:00 und 18:00 Uhr Spielespaß und Beratung auf unterschiedlichen Spielplätzen in Innsbruck. Termine und Plätze
Telfs
In Telfs werden sich Eltern-Kind-Paare mit der Brückenbauerin Maria treffen und das Projekt beim gemeinsamen Spielen kennenlernen. Eltern erhalten die Gelegenheit sich auszutauschen, Fragen zu diversen Themen (Kindergarten, Schule, Sprachförderung etc.) zu stellen und bekommen kurze inhaltliche Inputs zu unterschiedlichen Bereichen, während den Kindern vielfältige Spielideen nähergebracht werden. Das Angebot findet an drei Tagen im Juni und an drei Tagen im August statt.
Reutte
In Reutte wird am 9. Juni ab 14.00 Uhr der Spielplatz gemeinsam mit Stefanie von Brücken bauen unsicher gemacht und vom 26. Juni bis zum 4. Juli wird eine Rätsel-Rallye durch den ganzen Ort führen. Für alle Eltern von Kindergartenkindern, die sich austauschen möchten und ihre Kinder bestmöglich auf den Schul- oder Kindergartenstart im Herbst vorbereiten wollen, gibt es noch spannende Webinare. Termine und Infos zur Anmeldung für Spielespaß und Beratung in Reutte gibt es hier.
Information zur Teilnahme und zu den Terminen gibt es bei Frauen aus allen Ländern
Aktuelles zum Projekt erfährt man auf Facebook www.facebook.com/bruecken.bauen.tirol und Instagram.
Gefördert durch
Ein digitaler Wegweiser bei sozialen Problemen: Der Sozialroutenplan für Westösterreich
Der Zugang zu sozialen Unterstützungsleistungen ist durch zahlreiche Hürden geprägt. Das erhöht für die Betroffenen die Gefahr der Mangelversorgung. Um dem zu begegnen, wollen wir in Tirol, Salzburg und Vorarlberg das in den Städten Innsbruck und Salzburg etablierte Instrument des „Sozialroutenplans“ auf neue, digitale Beine stellen. Dabei werden die betroffenen Menschen möglichst eng in den Entstehungsprozess eingebunden. Das Projekt läuft über drei Jahre und wird durch eine Förderung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) ermöglicht.
„Unsere Vision besteht darin, dass alle daran interessierten Menschen die entwickelten digitalen Werkzeuge nutzen können, um sich über soziale Unterstützungsleistungen zu informieren. Das sollte idealerweise aus eigener Kraft möglich sein oder wenigstens durch die Unterstützung von Sozialeinrichtungen. Insgesamt sollen alle Personen, die eine entsprechende Unterstützung benötigen und Anspruch darauf haben, sie auch erhalten.“ Andreas Exenberger
Wohin soll ich mich wenden? Der Sozialroutenplan für Westösterreich verspricht Antworten.
Photo by Hadija Saidi on Unsplash
Ausgangssituation
In Westösterreich sind mindestens 300.000 Menschen auf den Zugang zu sozialen Unterstützungsleistungen angewiesen. Das betrifft ganz unterschiedliche Menschen – von der alleinerziehenden Mutter über Pflegebedürftige bis hin zu Menschen, die plötzlich ihren Job verlieren. Digitalisierung kann hier Ausgrenzung verstärken, aber auch Chancen bieten, wenn man sie richtig umsetzt. Beides wird durch die jüngsten Erfahrungen während der Covid-19-Pandemie noch unterstrichen.
Ziele
Aufgrund von bislang unzureichenden Antworten auf diese Herausforderung wurde für dieses Projekt ein Dreiländer-Konsortium aus fünf wissenschaftlichen Einrichtungen, drei IT-Unternehmen und 14 Sozialeinrichtungen gebildet. Es wird in einen integrierten und partizipativen Prozess zusammen mit potentiellen Userinnen und Usern eintreten, also Menschen, für die das Werkzeug schließlich gedacht ist. Dabei werden ein Service-Design-Thinking- und ein Service-User-Involvement-Ansatz kombiniert, um diese Lösung möglichst nahe an den Bedürfnissen der Betroffenen umzusetzen.
Ergebnisse
Das Projekt strebt mehrere digitale Werkzeuge als Ergebnis an (offene Schnittstelle, mobile App, Web-Anwendung, etc.), durch die Personen, die soziale Unterstützungsleistungen brauchen, Informationen über Beratungsstellen, Angebote und Voraussetzungen sowie rechtliche Rahmenbedingungen in möglichst flexibler und niederschwelliger Form erhalten. Dabei sind Barrierefreiheit, Usability und Anti-Diskriminierung zentrale Grundprinzipien der Entwicklungsarbeit.
Vision
Am Ende dieses Projekts soll ein Best-Practice-Beispiel stehen, das ermöglicht, dass so viele Menschen wie möglich, die eine soziale Unterstützung benötigen und Anspruch darauf haben, sie auch erhalten. Es sollen Erkenntnisse über die Potentiale der Digitalisierung wachsen, damit diese bestmöglich ausgenutzt werden können. Es sollen aber auch Erkenntnisse über die Grenzen der Digitalisierung wachsen, damit wir besser verstehen, wie diese den Bedürfnissen der Betroffenen entsprechend verschoben werden können, jedoch auch, was sich nicht digitalisieren lässt, wenn man die Probleme nicht nur verwalten, sondern auch so gut wie möglich lösen will.
Eckdaten zum Projekt
Ausschreibung Laura Bassi 4.0, 2. Ausschreibung
Projektlaufzeit 1. April 2021 bis 31. März 2024
Projektpartner*innen
Wissenschaft: Universität Innsbruck; Fachhochschule Vorarlberg; ifz Salzburg; Management Center Innsbruck
IT-Branche: ICC Werbeagentur GmbH & Co KG; M-Pulso GmbH; Michael Holzknecht
Sozialeinrichtungen: AQUA Mühle Vorarlberg; Diakonie Flüchtlingsdienst (Salzburg); DOWAS für Frauen (Tirol); Frau & Arbeit (Salzburg); IFS Vorarlberg; Lebenshilfe Tirol; Offene Jugendarbeit Dornbirn; ÖZIV Tirol; Pro Mente Salzburg; Schuldenberatung Tirol; Verein für Obdachlose (Tirol); Volkshilfe Tirol; unicum:mensch (Tirol/Salzburg); Zentrum für MigrantInnen in Tirol – ZeMiT
Kontakt
Andreas Exenberger, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Tel.: 0660-8420103
Website: FFG Projekt Sozialroutenplan
Mein Ausbildungsweg: Ausstellung des Z6 und der ARGE Jugendcoaching
In der Ausstellung „Mein Ausbildungsweg", konzipiert und durchgeführt vom Jugendzentrum Z6 (Florian Norer) und von der ARGE Jugendcoaching (Markus Gollhofer), kommen junge Erwachsene zu Wort. Sie sprechen über ihre ganz persönliche Geschichte, von Scheitern und Erfolg, über Schwierigkeiten und Brüche und den Mut, weiterzumachen. Sie sprechen über Einsamkeit, Ungerechtigkeit und Scham und schildern, wie es gelingt, sich zu motivieren und wer sie darin unterstützt. Jedenfalls berichten sie über vielfältige Leben und Träume und darüber, wo und wie sie die Kraft gefunden haben, Krisen zu überwinden, Ziele neu zu definieren und ihren Weg weiterzugehen.
© Z6
Die Ausstellung „Mein Ausbildungsweg" ist nicht nur eine Plattform für Jugendliche, um mit ihren Geschichten wahrgenommen zu werden, sie ist vielmehr Raum für Geschichten, die Mut machen. Die Erzählung der vorerst vier Protagonist*innen rückt das Scheitern und das Nicht-Weiter-Wissen als eine von vielen Normalitäten in jugendlichen Biographien in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Der Erfolg, so erzählt die Ausstellung, liegt darin, Schwierigkeiten zu überwinden und weiterzugehen.
Die Ausstellung „Mein Ausbildungsweg" ist als mobile und erweiterbare Wanderausstellung konzipiert. Für die visuelle Gestaltung zeichnet der Fotograf Nicolas Hafele verantwortlich. Mittels großformatiger Fotos wird die Persönlichkeit der Protagonist*innen in den Fokus des Projektes genommen. Die in Szene gesetzten Charaktere sollen sowohl für Jugendliche als auch für eine erweiterte Öffentlichkeit ansprechend sein und Interesse wecken. Der analoge Teil mit Bildern im klassischen Ausstellungsformat wurde gewählt, um durch einen direkten und konfrontativen Charakter bei Besucher*innen, Passant*innen und Gästen Interesse und Neugierde für eine Auseinandersetzung mit dem Thema zu wecken. Eine QR-Code-Verlinkung im analogen Teil der Ausstellung ermöglicht es den Besucher*innen, sich über das eigene Smartphone mit dem digitalen Teil der Ausstellung zu verbinden und Zugang zu auditiv aufbereiteten Geschichten sowie den Fotoportraits zu erhalten. Derzeit ist die Ausstellung auf der Online-Plattform zugänglich, die auch langfristig als Sammelpunkt für zahlreiche Erzählungen von Jugendlichen gedacht ist.
NEU: BIM GOES MOVIE
Film in Österreich: Im Hauptabendprogramm finden sich mit erstaunlicher Verlässlichkeit Heimatromantik und Verklärung, ländliche Kriminalfälle, Sokos hier und dort und prollige Einblicke in die Vorstadt. Daneben wuchs in einer cineastischen Nische „Der österreichische Film" zu einer internationalen Marke heran: Ernste Themen, menschliche Schicksale und psychologische Abgründe der Hauptcharaktere, die im Abseits der Gesellschaft gezüchtet werden und ihre Wirkung fatal in ihrer Mitte entfalten, paaren sich im Bereich des Spielfilms mit der konsequenten Verweigerung eines Happy Ends. Dokumentationsfilme zeichnen sich aus durch unnachgiebige Recherche und nackte Darstellung dessen, was ein Menschenleben ausmacht und welche Strategien Menschen entwickeln (müssen), um den Platz, an den sie gesellschaftliche, familiäre und geopolitische Verhältnisse geworfen haben, zu nützen oder ihm zu entkommen.
Wir werden ab sofort in unserer Bibliothek diese filmischen Dokumente aufgreifen, im Newsletter jeweils zwei cineastische Schätze von großer gesellschaftspolitischer Relevanz und Aussagekraft vorstellen und von unseren ganz persönlichen Screeningerlebnissen berichten: Gute Projektion!
Angelo
Im Europa des frühen 18. Jahrhunderts wird ein junger Knabe, den man aus Afrika verschleppt, von einer Comtesse erwählt, christlich getauft und herangezogen. Angelo entwickelt sich rasch zum Lieblingsornament des Wiener Hofes. Aber seine heimliche Eheschließung und ihre Folgen lassen ihn bald an die Grenzen seiner Sehnsüchte stoßen.
Angelo, Markus Schleinzer, Spielfilm, 2018
Trailer
Joy
JOY erzählt die Geschichte einer jungen Frau aus Nigeria, die im Teufelskreis von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung gefangen ist. Sie arbeitet in Wien als Prostituierte, um sich von ihrer Zuhälterin, der Madame, freizukaufen, ihre Familie in Nigeria zu unterstützen und ihrer kleinen Tochter eine Zukunft zu sichern. Die Freiheit scheint für Joy in greifbarer Nähe, als ihr die Madame die Kontrolle über Precious übergibt, ein junges Mädchen aus Nigeria, das noch nicht bereit ist, sich in ihr Schicksal zu fügen.
JOY, Sudabeh Mortezai, Spielfilm, Österreich 2018
Trailer
Österreichischer Filmpreis 2020 – Bester Film, Beste Regie, Beste weibliche Hauptdarstellerin, Bestes Drehbuch (weitere Preise und Festivalteilnahmen)
Precious Mariam Sanusi als Precious und Joy Alphonsus als Joy. Filmstill
„Joy hat mich völlig sprachlos und in Tränen aufgelöst zurückgelassen. Sudabeh Mortezai gelingt es in ihrem vielfach preisgekrönten dokumentarischen Spielfilm mit dem Einsatz von LaienschauspielerInnen bereits zum wiederholen Mal, ein schonungsloses Bild einer gesellschaftlichen Realität zu zeichnen, das wie ein Felsbrocken in meinen Wohlfühltraum vom Leben kracht. Dass Frauen in einer patriarchalen, sexistischen, rassistischen Gesellschaft zu Opfern werden, wusste ich natürlich. Dass es für Frauen in einem solchen System oft die einzige Möglichkeit des Entrinnens oder der Selbstrettung ist, selbst zu Protagonistinnen der Spielregeln zu werden, war mir theoretisch klar. Joy zeigt unmittelbar, was das in der Realität heißt. Meine Verzweiflung gilt zum großen Teil dieser unfassbaren Realität, ein Teil aber kommt auch aus der Verzweiflung, dass es mir nicht gelingt, eine oder zwei Schubladen aufzumachen, um das Ganze zu erklären. Zuordnungen und Erklärungen sind oft schnell zur Hand, um harte Realitäten zu verarbeiten und ja: abzuhaken. Bei Joy blieb mir beides im Hals stecken. Schauempfehlung!" Andrea Possenig-Moser
Neuanschaffungen in unserer Fachbibliothek (Auswahl)
Marco Bonacker, Gunter Geiger [Hrsg.]: Migration in der Pflege. Wie Diversität und Individualisierung die Pflege verändern, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2021.
In einer sich stetig wandelnden (Migrations-)Gesellschaft kommen immer mehr Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Prägungen in ein Alter, in dem Pflege notwendig wird. Diversität und Migration prägen ebenso das Feld der Pflegenden. Die steigende Diversität in Pflegesituationen verändert Theorie und Praxis der Pflege. Dieses Buch ist ein Beitrag zur Debatte um zukünftige Gestaltung der Pflege. Dabei werden einerseits Begriffe und Grundideen der Pflege im Kontext von Individualisierung und Diversität behandelt, andererseits anhand von Fallbeispielen aus der Pflegepraxis neue Ansätze präsentiert.
Sharon Dodua Otoo: Adas Raum. Roman, S. Fischer Verlag, 2021.
„Adas Raum“ ist der erste Roman der Bachmann-Preisträgerin Sharon Dodua Otoo, in welchem die Lebensgeschichten vieler Frauen zu einer Reise durch die Jahrhunderte und über Kontinente verwebt werden. Ada, die Protagonistin des Romans, erlebt die Ankunft der Portugiesen an der Goldküste des Landes, das einmal Ghana werden wird. Jahrhunderte später wird sie für sich und ihr Baby eine Wohnung in Berlin suchen. In einem Ausstellungskatalog fällt ihr Blick auf ein goldenes Armband, das sie durch die Zeiten und Wandlungen begleitet hat. Ada ist viele Frauen, sie lebt viele Leben. Sie erlebt das Elend, aber auch das Glück, Frau zu sein, sie ist Opfer, leistet Widerstand und kämpft für ihre Unabhängigkeit.
Wiebke Sievers, Rainer Bauböck, Christoph Reinprecht [Hrsg.]: Flucht und Asyl. Internationale und österreichische Perspektiven, Jahrbuch Migrationsforschung Bd. 5, VÖAW, 2021.
Flucht und Asyl haben lange die öffentlichen Debatten in Europa bestimmt. In vielen Ländern haben rechtspopulistische Parteien an Bedeutung gewonnen. Eine Einigung darüber, wie die Europäische Union ihre Verantwortung gegenüber den weltweiten Fluchtbewegungen wahrnehmen kann, scheint in weiter Ferne. Der vorliegende Band trägt zu einer Ausdifferenzierung dieser Debatten bei. Einerseits regt er dazu an, Flucht und Asyl aus einer internationalen und historischen Perspektive sowie aus dem Blickwinkel der Betroffenen neu zu denken. Andererseits präsentiert er empirische Ergebnisse zur politischen und zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Geflüchteten, zu ihrer Integration in den Arbeitsmarkt sowie zu den Möglichkeiten und Grenzen ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe.
Dirk Rupnow, Gwénola Sebaux, Bettina Severin-Barboutie, Meryem Youssoufi, Zaihia Zeroulou [Hrsg./éd.]: Repräsentation und Erinnerung der Migration. Représentation et mémoire de la migration, innsbruck university press – iup, 2021.
Migration bestimmt nun schon seit einiger Zeit die politischen und gesellschaftlichen Debatten in Europa – und daran wird sich in naher Zukunft wohl auch nichts ändern. Schon vor den als krisenhaft wahrgenommenen Ereignissen im Jahr 2015 war allerdings deutlich geworden, dass die europäischen Migrationsgesellschaften des 21. Jahrhunderts, die hauptsächlich durch die so genannte „Gastarbeitermigration“ nach dem Zweiten Weltkrieg transformiert worden waren, die Perspektive der Migration und die Erfahrungen und Erinnerungen von MigrantInnen nicht oder höchstens unzureichend in ihre „kollektiven Gedächtnisse“ integriert haben, Migration und MigrantInnen in den Infrastrukturen des „kollektiven Gedächtnisses“ (Archive, Museen) wie in den hegemonialen historischen Narrativen nicht sichtbar sind und keine Stimme besitzen. In den vergangenen Jahren ist allerdings in vielen Ländern eine deutliche Zunahme an Forschungs-, Archivierungs-, Ausstellungs- und Musealisierungsaktivitäten im Hinblick auf die jeweiligen Migrationsgeschichten zu beobachten. In Anknüpfung an diese Ansätze in Forschung, Archiven und Museen will der Sammelband Bedingungen, Formen und Effekte der Repräsentation und Erinnerung von Migration aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick nehmen. Mit Hilfe von Analysen der Geschichte und Gegenwart sollen Muster, Traditionen und Perspektiven der Aushandlung von Migration und Integration in unterschiedlichen Ländern untersucht und die verstärkten Bemühungen um eine Sichtbarmachung von Migrationsgeschichten sowie die damit verbundenen spezifischen Herausforderungen diskutiert werden.
Hamed Abboud: In meinem Bart versteckte Geschichten, Edition Korrespondenzen, 2020.
Nach seinem ersten Gedichtband “Der Regen der ersten Wolke” und seinem zweiten Werk “Der Tod backt einen Geburtstagskuchen” erschien 2020 das dritte Buch mit dem Titel „In meinem Bart versteckte Geschichten“, in welchem der Autor Hamed Abboud über das Ankommen und Leben in Europa schreibt. In 13 Prosa- und „Mikro“-Texten gibt er Einblicke in seine Fluchtgeschichte, Begegnungen und seine Eindrücke: Hamed Abboud erzählt vom irritierenden Aufeinandertreffen der unterschiedlichen kulturellen Mentalitäten und von der Suche nach dem eigenen Platz in der neuen Heimat Österreich.
Johny Pitts: Afropäisch. Eine Reise durch das schwarze Europa, Suhrkamp, 2020.
„Und wo kommst du eigentlich her?“ Viele schwarze Europäer kennen diese Frage, denn in den Köpfen mancher ist das noch immer ein Gegensatz – schwarz sein und Europäer sein. Dabei gibt es längst eine gelebte afropäische Kultur. Um sie zu erkunden, bereist Johny Pitts die Metropolen des Kontinents. In Paris folgt er den Spuren James Baldwins, in Berlin trifft er ghanaische Rastafarians, in Moskau besucht er die einstige Patrice-Lumumba-Universität. Nicht nur in französischen Banlieues und Favelas am Rande Lissabons wird deutlich, dass Europas multikulturelle Gegenwart nach wie vor von seiner kolonialen Vergangenheit gezeichnet ist.
Claudia Unterweger: Talking Back. Strategien Schwarzer österreichischer Geschichtsschreibung, Zaglossus, 2016.
Die österreichische Geschichtsschreibung über Menschen afrikanischer Herkunft spiegelt deren gegenwärtige Repräsentation in der österreichischen Öffentlichkeit wider. Sichtbar als stumme, fremd-definierte Objekte und zugleich unsichtbar als handelnde Subjekte tauchen sie vorwiegend als exotisierte oder kriminalisierte „Andere“ auf. Verborgen bleiben häufig Realitäten und Erzählungen aus Schwarzer Perspektive. Um die historischen und gegenwärtigen Erfahrungen Schwarzer Menschen in Österreich sichtbar zu machen, wurde 2005/2006 das Projekt Schwarze österreichische Geschichte ins Leben gerufen – eine Recherchegruppe von Aktivist_innen afrikanischer Herkunft mit Lebensmittelpunkt in Österreich erarbeitete eine Reihe von Gegenbildern und Selbstrepräsentationen aus emanzipatorischem Schwarzem Blickwinkel. Claudia Unterweger ist Teilnehmerin der Recherchegruppe und analysiert in ihrem Buch die Strategien, die die Gruppe in ihrer Geschichtsschreibung angewendet hat, um die eigene, verschüttete Vergangenheit zu bergen und Schwarze Menschen in der Gegenwart zu stärken.
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