IMZ-Newsletter #49 Septober 2021
Diesmal mit folgenden Themen:
Gastkommentar Nach der Heimat. Neue Ideen für eine mehrheimische Gesellschaft von Wolfgang Meixner und Erol Yildiz
Kommentar Echt Jetzt? Zur Studie: Was denkt Österreich? von Andrea Possenig-Moser
- heimat<loser: Eine Ausstellung zum politischen Diskurs
- Zwei Veranstaltungen auf der Suche Heimat
- Antirassimus-Arbeit Tirol: Der neue Beirat
- Erfolgreiche Sommerakademie zur rassismuskritischen Schule
- Aktuelles aus dem Dokumentationsarchiv Migration Tirol
- Wertedialoge: Ein Format, das ankommt!
- Veranstaltungsreihe: aus.grenzen - auf.machen
- Alles Gute! 30 Jahre Initiative Minderheiten und 30 Jahre STIMME
und wie immer
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Nach der Heimat. Neue Ideen für eine mehrheimische Gesellschaft
Gastkommentar - Expose Wolfgang Meixner / Erol Yildiz
Heimat – ein ebenso attraktiver, wie emotionsgeladener und politisch umkämpfter Begriff - erlebt im 21. Jh. ein Revival, eine Wiederkehr unter neuen Vorzeichen. Lange Zeit konservativ-nationalen Deutungen überlassen, scheinen Heimatbegriffe im deutschen Sprachraum heute eine breitere Aufmerksamkeit zu erfahren: vom Heimatministerium in Bayern, über die Belebung regionaler und ökologischer Traditionen bis hin zu politischen Wahlkämpfen, wo etwa von Österreichs Grünen erstmals mit Bildern von Heimat und Tradition geworben wurde.
Neu erschienen: Erol Yildiz, Wolfgang Meixner: Nach der Heimat. Neue Ideen für eine mehrheimische Gesellschaft. Reclam 9/2021
Angesichts der rasanten Auswirkungen von Globalisierung und Wandel auf den lokalen Alltag vor Ort, auf das individuelle Lebensumfeld jedes Einzelnen scheint es jedenfalls an der Zeit, unsere Konzepte von Heimat einer gründlichen Neubetrachtung zu unterziehen. Der von uns gewählte Titel „Nach der Heimat“ signalisiert somit nicht die völlige Abkehr von diesem vielbeschworenen Begriff, sondern einen Perspektivwechsel, eine Öffnung: Er bezeichnet einen reflexiven Zugang zu Heimat im Hier und Heute, ein Um- und Neudenken jenseits ideologisch-nationaler Deutungen. Auf diese Weise öffnet sich der Blick für ein vielschichtiges und hybrides Konzept von Heimat, das je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen entfalten kann. Eine Topographie des Möglichen zeichnet sich ab.
Um es bereits vorwegzunehmen: Dass Menschen gleichzeitig mit und in verschiedenen Kulturen, Loyalitäten, Biographien, Sprachen und Ländern beheimatet sein können, erweist sich als eine bereits gelebte, unspektakuläre Alltagspraxis.
Neue Ideen für eine mehrheimische Gesellschaft entstehen aus der Lebenswirklichkeit von Menschen in einer globalisierten, durch geografische und digitale Mobilität, durch zunehmende kulturelle Diversität geprägten Gesellschaft. Virtuelle Vernetzung, Transport- und Kommunikationstechnologien, Massentourismus und Migration: Eine Art mobiler Sesshaftigkeit/sesshafter Mobilität scheint das Kennzeichen unserer Zeit, beeinflusst unsere Lebenskonstruktionen, unsere Realitätssauffassungen, räumliche, biographische wie mentale Orientierungen.
Immer weniger Menschen verbringen ihr ganzes Leben an ein und demselben Ort, viele haben, über Ländergrenzen hinweg, ihren Wohnsitz mehrmals gewechselt. Geographische und kognitive Bewegung gehen Hand in Hand. Selbst in „alteingesessenen“ Familiengeschichten findet sich bei näherer Betrachtung ein „Migrationshintergrund“. Dies alles gehört zum Alltag und wird erst auf den zweiten Blick sichtbar: wenn Lebensgeschichten erzählt und reflektiert werden. Heimat öffnet sich! Vieles, was wir heute als national oder homogen wahrnehmen, ist ein Ergebnis von Vermischung und Übersetzung, ein Teil verflochtener Geschichten. Und längst haben weltweite Einflüsse in lokale Lebensstile Einzug gehalten: Ob virtuelle Kontakte im World Wide Web, ob Tai Chi oder Yoga-Kurs, chinesische Küche oder argentinischer Tango, ob Fernreisen, Freundschaften oder das Engagement in einer internationalen Organisation – es klingt fast zu trivial, um es eigens zu erwähnen.
Daraus leiten sich unsere grundlegenden Thesen ab:
- Gesellschaftliche Wandlungs- und Migrationsprozesse stellen konventionelle Konzepte von Heimat in Frage. Sie erfordern ihre Re-Vision und Neuausrichtung.
- Durch die Öffnung der Orte zur Welt entstehen neue Verortungspraktiken, die Entferntes miteinander verknüpfen, Raum- und Ortsentwürfe, die sich nicht durch Grenzen, sondern Verbindungen konstituieren.
- Unterschiedliche kulturelle Elemente, Erfahrungen und Lebensentwürfe von transnationaler Reichweite werden vor Ort aufeinander bezogen, miteinander kombiniert und gewinnen dadurch für die Beteiligten eine individuelle biographische Relevanz
Doch auch gegenläufige Tendenzen der Grenzziehung und Abschottung sind zu verzeichnen: Schließungsprozesse, die mit einer Wiederbelebung von Nationalismen, Rassismus und Fundamentalismus einhergehen. Die Öffnung der Orte zur Welt wird durch Re-Nationalisierungsprozesse konterkariert.
Umso mehr fordert diese Dynamik ein Überdenken unserer Vorstellungen von Ort, Zeit und „Welt“ heraus und damit auch herkömmlich begrenzter Heimatbegriffe, um ihnen eine zukunftsfähige Prägung zu geben, die unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit Rechnung tragen. Dieser Versuch soll im geplanten Band mit Perspektiven auf Vergangenheit und Gegenwart und anhand biographischer Beispiele unternommen werden. So verstanden, grenzt Heimat nicht ab, grenzt nicht aus; sie wird zu einem inklusiven, aber auch ‚konfliktoffenen Ort“. Daraus folgt schließlich die programmatische These: Heimat ist teilbar, Mehrheimischsein ist möglich. Gehört es nicht längst zur Alltagsnormalität?
Teil 1 gibt Einblick in Bedeutung, Entwicklung und historische Wandlungen des Heimatbegriffs.
Heimat, ein Begriff, der sich nicht ohne weiteres in andere Sprachen übertragen lässt, ist selbst historischen Wandlungen unterworfen. Zunächst nur rechtlich-normativ gedeutet, wurde Heimat von der Romantik als Gegenentwurf zum Universalismus der Moderne konzipiert. Mit der Bildung von Nationalstaaten Ende des 18. Jahrhunderts für nationalistisches Denken instrumentalisiert, erfährt der Begriff eine ethnisch-nationale Einfärbung und Radikalisierung durch homogene Normvorstellungen und Denkordnung. Traditionen werden neu geschrieben, Grenzen neu gezogen, bestimmte Sprachen privilegiert, andere abgewertet. Völkische Heimatbewegungen beschworen im Nationalsozialismus die fiktive Einheit eines „rassisch“ definierten Volkes – nichtzugehörig hieß minderwertig. Arbeiterbewegung und politische Linke lehnten „Heimattümelei“ oder „Volkstümelei“ ab.
Wegen seiner historisch-ideologischen Instrumentalisierung ist der Heimatbegriff also umstritten, es gab jedoch Versuche, ihn neu zu definieren und positiv zu besetzen. Der Auseinandersetzung stellten sich im 20. Jahrhundert zahlreiche Autoren, oftmals unter dem Eindruck von Exil und Vertreibung: von Ernst Bloch („Prinzip der Hoffnung“), über Hannah Arendt („We refugees“) bis zur Neuen Linken angesichts der Arbeitsmigration seit den 1960er Jahren. Heimat firmiert als Utopie, als Prozess, als emanzipatorischer Begriff, auch jenseits bürgerlicher Refugien, bis seit den 1990er Jahren wieder ein politisches Abdriften nach „rechts“ zu beobachten war.
Teil 2 betrachtet „Mehrheimischsein“ als eine realisierte Utopie – als die zukunftsweisende Seite eines neuen Heimatbegriffs.
Was bedeutet Heimat in einer globalisierten Gesellschaft? Nicht ontologische Gegebenheiten, sondern sein beweglicher, prozessualer Charakter macht einen zeitgemäßen Heimatbegriff aus.
Heimaten werden sozial hergestellt. Heimat ist ein translokales, transkulturelles Geflecht unterschiedlicher Perspektiven und Erfahrungen, ein hybrides Konstrukt.
Dass Mehrfachzugehörigkeit in einer globalisierten und durch Migration geprägten Welt zur Normalität gehört, wird durch biographische Beispiele nachvollziehbar: Von der ersten Migrationsgeneration über die „postmigrantischen“ Nachkommen, Zuwanderer und „Alteingesessene“ in gesellschaftlichen Umbrüchen – wir alle sind längst dabei, in einer globalisierten Gesellschaft auf individuelle Weise mehrheimisch zu werden. Den einen mag dies leichter fallen als anderen. Dass man diesbezüglich auf langjährige Erfahrungen von Migration und Diversität zurückgreifen kann, die in unserer Gesellschaft selbstverständlich vorhanden, aber lange Zeit ignoriert worden sind, ist jedenfalls die gute Nachricht. Auf die eine oder andere Weise sind wir alle mehrheimisch geworden, wir leben mit Vielheit und wir leben gut damit. Um ein Wort von Ulrich Beck zu gebrauchen: Heimat hat längst einen Welthintergrund.
Echt Jetzt?
Kommentar zur Studie: Was denkt Österreich?
Andrea Possenig-Moser
Der ÖIF (Österreichische Integrationsfond) hat GfK Austria und Demox Research zwischen 2018 und 2020 beauftragt, eine Befragung zum Thema Österreich und Heimatgefühl durchzuführen. 1000 Österreicherinnen und Österreicher wurden ausgewählt und gaben Einblick in ihr Wertegefüge. Die Ergebnisse der Befragung flossen in die Studie „Was denkt Österreich“ und wurden am 28.9.2021 von Integrationsministerin Susanne Raab in einer Pressekonferenz präsentiert.
Ganz grundsätzlich spielen in der Befragung und in der Studie Gefühle und Empfindungen eine auffallend größere Rolle als sozialrechtliche Fragen. Heimat wird als emotionsgeladener Begriff verhandelt, bei dem unabhängig davon, was oben reinkommt, die österreichische Identität unten herauskommt. 62% der Befragten sehen diese kulturelle Identität durch Zuwanderung gefährdet. Die top drei Eigenschaften, die die Österreicher:innen auszeichnen (sollten), seien die deutsche Sprache zu sprechen (74%), Österreich als Heimat zu empfinden (64%) und die österreichische Lebensweise zu schätzen (61%). Entsprechend dieser softskills richtet die Integrationsministerin Susanne Raab Migrant:innen folgerichtig aus: "Integration ist mehr als Sprache und Arbeitsmarkt, sondern ein Gefühl." Um dieses Gefühl zu steigern, wird das Angebot an Wertekursen, Schulbotschafter:innen und ehrenamtlichen Engagements ausgebaut.
Gefühle: Schwer zu fassen, außerdem flüchtig.
Abbildung: Leonard Cohen. (n.d.). AZQuotes.com. Retrieved October 02, 2021, from AZQuotes.com Web site
Die emotionale Aufladung von Heimat als Mittel und Kriterium zum An- und Ausschluss in einer Gesellschaft hat ein historisch nicht nur unrühmliches sondern schauderhaftes Erbe. Gefühle und Emotionen als Vorbedingung/Voraussetzung oder auch als Ergebnis eines erfolgreichen Integrationsprozesses zu postulieren, scheint auf psychologischer Ebene absurd, gar übergriffig, auf historischer Ebene durchaus gefährlich. Die darunter liegende Sehnsucht nach einer homogenen Gesellschaft entspricht dem Leben in unserer postmigrantischen, diversen Realität des 21. Jahrhunderts in keiner Weise. Der Versuch eine kränkelnde Gesellschaft mit der bitteren Pille des vorigen Jahrhunderts zu behandeln, ist nicht nur wenig kreativ, sondern auch mit Vorsicht und Wachsamkeit zu beobachten.
„Gleichheit“ hat als Forderung im 21. Jahrhundert nur mehr Berechtigung, wenn es um den gleichen Zugang zu Rechten, zu Versorgung, zu Vertretung und Pflichten geht – unabhängig von Geschlecht und Herkunft und in jedem Fall unabhängig von der inneren Gefühlslage.
heimat<loser: Eine Ausstellung zum politischen Diskurs
heimat<loser scheint schwer zu entziffern und doch ist der Titel nicht abstrakt: Viele kurze Zitate, in eine historische Perspektive eingebettet, geben lebendige, überraschende, lustige bis traurig gestimmte und zugleich immer klare Antworten. Es sind Worte jener, die – freiwillig oder auch nicht – „entheimatet“ sind. Die wahren heimat<loser?
Die Aktualität des Themas der Ausstellung hat sich nicht zuletzt in den Wahlkämpfen in Oberösterreich und Graz gezeigt. Vor allem in Graz wurde die Instrumentalisierung von „Heimat“ als Kriterium des Ausschlusses – ganz im Erbe nationalsozialistischen Gedankenguts – erschreckend deutlich. Auch wenn sich Gegenstimmen dazu deutlich formiert haben und das Wahlergebnis der FPÖ vorläufig die „rote Karte“ gezeigt hat; Wachsamkeit, Warnung und Zivilcourage sind von uns allen gefordert, um der Verrohung der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Der Grazer Wahlkampf hat mit ebenso erschreckender wie erfreulicher Deutlichkeit, die Positionen in der "Heimat-Debatte" aufgezeigt. Fotos: Markus Schmid für ZeMiT
Über die Ausstellung
Basis der Ausstellung heimat< loser bilden mehr als 100 Interviews, die das ZeMiT/DAM zwischen 1997 und 2021 mit Jugendlichen und Erwachsenen durchgeführt hat. Migrant*innen aus (fast) allen Kontinenten der Welt haben mit uns ihren Reichtum an Erfahrung, Wissen und persönlicher Lebensgeschichte geteilt. Daraus wurden vier Erlebnisweisen deutlich: „Fremde“, „Angekommene“, und „Mehrheimische“ stehen einer Generation gegenüber, die die Frage nach Zugehörigkeit (humorvoll) ad absurdum führt und in einer Realität „nach der Migration“ lebt, in der entweder alle oder niemand „zuagroast“ ist. Diese persönlichen Erfahrungen werden von einem historischen Rückblick auf Fragen der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer Gemeinde, einem Land umrahmt. Vom Heimatrecht führte diese Entwicklung über die zunehmende Nationalisierung ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem „Recht“, das den Massenmord der Nationalsozialisten im Namen der Heimat stützte. Bis heute fußt das Staatsbürgerschaftsrecht in Österreich auf der Frage der Herkunft (nicht des Geburtsortes) und gilt als eines der restriktivsten in Europa.
Rahmenprogramm
Im Rahmenprogramm zu Ausstellung fand bereits ein Kunstworkshop für Kinder im Kunstraum Innsbruck statt. Der Künstler Jakup Ferri lud dabei die zahlreich anwesenden Kinder ein, rund um das Thema Heimat (daheim sein) ihre Kreativität zu entdecken und auszudrücken. In Kooperation mit der MS Ilse-Brüll-Gasse wurde unter Anleitung von Martin Fritz ein Poetry-Slam-Workshop mit Schüler:innen des kreativen Schwerpunkts durchgeführt. Die Ergebnisse daraus finden Eingang in die Ausstellung und werden ab November die Stimmen von Migrant:innen und den historischen Rückblick um eine jugendlich-künstlerische Perspektive ergänzen. Weiters wird die Ausstellung bei einem Diskussionsabend zum Thema „Was ist Heimat?“ am 12. Oktober im Tiroler Volkskunstmuseum präsentiert und reflektiert und bei der Integrationsenquete „Auf der Suche nach Heimat. Nostalgisch? Exklusiv? Zukunftsfähig?“ am 14. Oktober gezeigt. Besonders hinweisen möchten wir auf die Eröffnung der Ausstellung mit LR Gabriele Fischer, mit Schüler:innen der MS Ilse-Brüll Gasse und einem Redebeitrag von Erol Yildiz am 2. November um 9:30 Uhr im Landhaus 2. Wir bitten alle Interessierten, sich den Termin bereits vorzumerken.
Ausstellungstermine 2021
- Do. 12. bis Di. 26. Oktober 2021: Tiroler Volkskunstmuseum, Universitätsstraße 2, Innsbruck
- ausschließlich Do. 14. Oktober 2021: Landhaus 1, Eduard-Wallnöfer-Platz 3, Innsbruck
Präsentation bei der Integrationsenquete „Auf der Suche nach Heimat. Nostalgisch? Exklusiv? Zukunftsfähig?“, 9:00 bis 17:00 Uhr - Di. 2. bis Do. 25. November 2021: Landhaus 2, Heiliggeiststraße 7-9, Innsbruck
- Mi. 1. Dezember – Mi. 22. Dezember 2021: NMS Ilse Brüll Gasse, Innsbruck
Geplant ist, die Ausstellung heimat<loser auch 2022 weiter zu zeigen, an öffentlichen Orten, in Schulen, Gemeinden, gerne auch Heimatmuseen. Zusätzlich wird bei Interesse ein pädagogisches Begleitprogramm angeboten.
Kurator:innen
Dr. Gerhard Hetfleisch
Mag.a Michaela Nindl
Mag.a Andrea Possenig-Moser BA
Lektorat
Tuğba Şababoğlu
Gestaltung
Ines Graus | blickfisch – Buch- und Ausstellungsgestaltung
Eine Ausstellung von
Wir danken dem Stadtarchiv Innsbruck, der Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum
und dem Tiroler Volkskunstmuseum für die zur Verfügung gestellten Bilder. Wir danken den Schüler:innen und Lehrpersonen der MS Ilse Brüll Gasse für die engagierte Teilnahme und Bereicherung unseres Projektes. Wir danken allen, die uns ihre Erfahrungen in Interviews zur Verfügung gestellt haben.
Gefördert durch
Zwei Veranstaltungen auf der Suche nach Heimat
Themenabend: Was ist „Heimat“? Zwei Ausstellungen, ein Film und ein Podiumsgespräch zum Thema
Di. 12.10.2021, 17-20 Uhr, Tiroler Volkskunstmuseum, mit Anmeldung
Eine Kooperation der Tiroler Landesmuseen mit der Abteilung Gesellschaft und Arbeit, Integration des Landes Tirol, dem Italien-Zentrum der Universität Innsbruck und dem Zentrum für MigrantInnen in Tirol (ZeMiT)
Inwieweit ist „Heimat“ geografisch, kulturell, sozial und politisch zu denken? Welche Bedeutung hat sie für Identität und Zugehörigkeit? Kann jemand mehrere „Heimaten“ haben?
DIenstgesuch aus der Ausstellung „Al lavoro!“, Innsbrucker Nachrichten
Zwei Ausstellungen und ein Kurzfilm sind an diesem Abend Ausgangspunkt für eine Erkundung rund um das Thema „Heimat“. Während die Ausstellung „heimat<loser“ jene in den Vordergrund rückt, die in Tirol Heimat nie hatten oder verloren haben, geht die Ausstellung „Al lavoro!“ der Zuwanderung aus dem Trentino im 19. Jahrhundert in den nördlichen Landesteil, das heutige Tirol, nach. Obwohl die italienischsprachige Bevölkerung gleich gestellt und Teil Tirols war, wurde sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend als Fremdkörper wahrgenommen. Der Kurzfilm „Ist meine Heimat (nicht) Italien?“ thematisiert das jüngste Kapitel italienischer Migration nach Tirol. Zugewanderte aus verschiedenen Regionen Italiens sprechen u.a. über Themen wie „Identität“ und „Zugehörigkeit“.
Ablauf
17:00 – 17:30 Uhr Kurzführung in der Ausstellung „heimat<loser“ mit Michaela Nindl
17:30 – 18:00 Uhr Kurzführung in der Ausstellung „Al lavoro!“ mit Karl C. Berger
18:00 – 18:30 Uhr Kleiner Umtrunk
18:30 – 19:00 Uhr Aufführung des Kurzfilms „Ist meine Heimat (nicht) Italien?“ von Natasha Bianco (im Stubenforum)
19:00 – 20:00 Uhr Podiumsdiskussion mit:
Natasha Bianco, Autorin des Films „Ist meine Heimat (nicht) Italien?“
Ingo Schneider, Ethnologe, Universität Innsbruck
Gerhard Hetfleisch, Historiker, Kurator der Ausstellung „heimat<loser“
Karl C. Berger, Leiter des Tiroler Volkskunstmuseums, Kurator der Ausstellung „Al lavoro!“
Moderation: Benedikt Sauer, Journalist und Sachbuchautor
Die Veranstaltung wird gefilmt und im Anschluss online verfügbar sein.
Anmeldung erforderlich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! T +43 0512 594 89-111
11. Tiroler Integrationsenquete „Auf der Suche nach Heimat. Nostalgisch? Exklusiv? Zukunftsfähig?“
Donnerstag, 14. Oktober 2021, 09:00 bis 17:00 Uhr
Innsbruck, Landhaus 1, Eduard-Wallnöfer-Platz 3, Großer Saal
Heimat ist ein Begriff, der Emotionen weckt, der Zugehörigkeit und Gemeinsamkeit schafft, aber ebenso ausgrenzen und polarisieren kann. Für die einen ist Heimat ein
wesentliches Element zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Andere sehen in ihr gerade das Gegenteil - eine Barriere, die die „immer schon Dagewesenen“ von jenen
unterscheidet, die neu dazugekommen sind. Gerade im Zusammenhang mit der Integration von zugewanderten Menschen in die Gesellschaft wird immer wieder der Heimatbegriff bemüht: Da hört man, dass die Heimat beschützt werden muss – aber gegen wen oder was eigentlich genau? Heimat soll definieren, wer dazugehört – aber wer hat die Definitionsmacht darüber? Heimat bedeutet für viele ein klares Bekenntnis – aber wozu? Heimat wird meist als Wort gesehen, das es nur in der Einzahl gibt – aber kann es nicht mehrere Heimaten geben – für einige oder sogar für alle?
Wir werden in der 11. Tiroler Integrationsenquete nicht versuchen, eine allgemeingültige Definition dieses mit gutem Grund oft umstrittenen Begriffs zu finden. Wir wollen ihn aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Wir wollen Menschen mit unterschiedlichen fachlichen, sozialen, ethnischen Hintergründen ins Gespräch bringen und die Bedeutung von Heimat für die Integration von Zugewanderten, für die Zugehörigkeit und damit für Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft herausarbeiten. Und wir wollen diskutieren, ob und wie ein offenes, zukunftsorientiertes Konzept von „Heimat“ Zugehörigkeit vermitteln und stärken kann – für alle in Tirol lebenden Menschen.
Vorträge:
• Poesie und Politik der Heimat. Die ewige Sehnsucht nach Geborgenheit zwischen Verlustschmerz und Weltoffenheit
Christian Schüle, freier Schriftsteller, Essayist und Publizist, seine Texte erscheinen unter anderem in DIE ZEIT, Spiegel und mare. Zu seinen Büchern zählt „Heimat. Ein
Phantomschmerz“ (2017, auf der Bestsellerliste).
• Über Heimaten. Von Zugehörigkeit in der postmodernen Gegenwart
Simone Egger, Kulturwissenschaftlerin und Postdoc-Assistentin an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Konzeption und Leitung des Museum Wattens. Alltags- und Industriegeschichte. Zahlreiche Publikationen zu den Themen Heimat, Stadt und Tracht.
Impulsreferate zum Thema Heimat von
• Edith Hessenberger, Leiterin der Ötztalmuseen und freischaffende Kulturwissenschaftlerin
• Wolfgang Meixner, Assistenzprofessor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Innsbruck
• Gordana Nadler, Ethnologin, ihr Engagement und Interesse gilt der Migration, Integration, der kulturellen und religiösen Praxis serbischer Minderheiten in der Diaspora. Mitglied der multireligiösen Plattform
• Emmanuel Rukundo, Finanzdienstleister. Lebt seit mehr als 30 Jahren zwischen der ostafrikanischen Welt und der von Zentraleuropa und fühlt sich in beiden Welten zuhause.
• Baiba Dekena, Musikerin, Künstlerin und Produzentin der Alben „These Storms“ und „Lighter“
Anmeldung: Die Teilnahme an der Enquete ist kostenlos, aus organisatorischen Gründen bitten wir jedoch um eine Anmeldung bis Donnerstag, 01. Oktober 2021 im
Haus der Begegnung, Tel 0512/587869 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Die Integrationsenquete ist eine gemeinsame Veranstaltung von: Land Tirol, Abt. Gesellschaft und Arbeit; Stadt Innsbruck, MA III – Stadtplanung, Stadtentwicklung und Integration; Haus der Begegnung der Diözese Innsbruck; Tiroler Integrationsforum, Volkskunstmuseum.
Antirassismus-Arbeit Tirol: Der neue Beirat
Im wissenschaftlichen Beirat von ARAtirol sind Expert*innen im Themenbereich Migration, Rassismus und Diskriminierung versammelt, die die am ZeMiT angesiedelte Anlauf- und Beratungsstelle ARAtirol inhaltlich beraten und unterstützen.
Das ZeMiT legt großen Wert auf inhaltliche Auseinandersetzung und auf eine professionelle Beratungshaltung. Durch einen Beirat, der sich aus Migliedern verschiedener Fachdisziplinen mit unterschiedlichen Blickwinkeln auf das Thema Rassismus zusammensetzt, verfügt ARAtirol über einen einzigartigen, breit gefächerten Bestand an Erfahrungen und Wissen.
Mitglieder des ARAtirol-Beirats sind derzeit (in alphabetischer Reihenfolge):
Mag.a Claudia Baldeo
Einrichtungsleiterin und Psychotherapeutin bei ANKYRA - Zentrum für interkulturelle Psychotherapie in Tirol, wo seit 2004 traumaspezifische, kultursensible und dolmetscherunterstützte Psychotherapie für Menschen, die Gewalt, Krieg, Vertreibung und Vergewaltigung überlebt haben und unter den psychischen und körperlichen Auswirkungen massiver Traumatisierung leiden, angeboten wird. Des Weiteren ist sie als Coach, Supervisorin und Pferdetherapeutin tätig.
Dr. Gerhard Hetfleisch
Als ehemaliger Geschäftsführer nach wie vor als Ideengeber, Kurator und Projektleiter am ZeMiT – Zentrum für MigrantInnen in Tirol tätig. Seine Arbeits-, Forschungs- und Vortragsschwerpunkte sind Rassismus, Migration und Integration. Neben seinen vielfältigen publizistischen Tätgikeiten, ist er Mitglied im Integrationsbeirat des Landes Tirol, im IMZ-Informations- und Monitoring-Zentrum für Migration und Integration in Tirol und im Integrationsforum Tirol.
Univ.-Prof. Mag. Dr. Dirk Rupnow
Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät und Professor am Institut für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck. Seine Schwerpunkte in der Forschung und Lehre liegen vor allem in österreichischer, deutscher und europäischer Zeitgeschichte; NS-Zeit/Holocaust; Jüdischer Geschichte; Wissenschaftsgeschichte; Kulturwissenschaften; transnationaler Geschichte; Migrationsgeschichte; Museologie; Theorie und Methode der Geschichtswissenschaft.
Mirjana Stojaković
Geschäftsführerin am ZeMiT – Zentrum für MigrantInnen in Tirol, wo jährlich rund 4.500 Personen mit Migrationsgeschichte in rechtlichen und sozialen Fragen mit arbeitsmarktpolitischem Schwerpunkt - bei Bedarf auch muttersprachlich - beraten werden. Als Leiterin von ARAtirol (Anti-Rassismus-Arbeit Tirol) setzt sie sich für eine menschliche und gerechte Gesellschaft und Politik ein.
Univ.-Prof. Dr. Erol Yıldız
Dekan der Fakultät für Bildungswissenschaften und Universitätsprofessor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt „Migration und Bildung“ an der Universtät Innsbruck. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in kritischer Migrationsforschung, Migration und Urbanität, Postmigration und qualitativen Forschungsmethoden. Er ist Vorsitzender der Jury „Preis der Vielfalt“ der Landeshauptstadt Innsbruck.
Erfolgreiche Sommerakademie 2021 zur rassismuskritischen Schule
Am 26. und 27. August erklärten zahlreiche Expert*innen im Rahmen der Sommerakademie 2021, wie Rassismus und Diskriminierung in Schulen verhindert und altersgerecht behandelt werden kann.
Die Sommerakademie der „Plattform Asyl – FÜR MENSCHEN RECHTE“ und der „asylkoordination Österreich“ stieß auf großes Interesse.
Schule ist ein Ort des Lernens, an dem soziale Ungleichheit abgebaut und nicht verstärkt werden soll. Deshalb wurde im Rahmen der Sommerakademie 2021 der Umgang mit Diversität in Schulen behandelt, und gleichzeitig thematisiert, dass Schule ein Abbild der österreichischen Gesellschaft ist, die leider nicht frei von Diskriminierung, Attribuierungen und Rassismen ist. An diesen Themen, sowie die derzeit bestehenden gesellschaftlichen und bildungspolitischen Rahmenbedingungen und wie diese das Konzept der Bildungsgerechtigkeit einschränken, wurde mit Expert*innen gearbeitet.
Die Plattform Asyl bietet Workshops zu den Themen Flucht und Asyl in Schulen an. Seit kurzer Zeit wird zusätzlich ein „Workshop gegen Rassismus“ für Jugendliche ab 14 Jahren angeboten. Im Gegensatz zu den explizit für Kinder und Jugendliche konzipierten Workshops an Schulen, ermöglicht die Sommerakademie den Teilnehmer*innen wichtige Fertigkeiten für den Umgang mit Diskriminierung oder Hass in der eigenen Schule.
In den acht Workshops erhielten die 80 Teilnehmer*innen einen Einblick in die Themen Schulsozialarbeit in Tirol, rassismuskritische Kompetenzen, Mehrsprachigkeit in der Schule und dem Umgang mit den Inhalten Flucht und Rassismus im Unterricht. Dies rundete, zusammen mit dem Eröffnungs- und Abschlussvortrag, die zweitägige Fortbildung am Bildungshaus Seehof in Innsbruck ab.
Die Sommerakademie ist eine Kooperation der beiden NGOs „Plattform Asyl – FÜR MENSCHEN RECHTE“ aus Innsbruck und der „asylkoordination Österreich“ aus Wien, in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Wien. Im Rahmen der Sommerakademie 2021 haben Expert*innen, Praktiker*innen und Interessierte in acht verschiedenen Workshops und bei zwei Vorträgen ihr Wissen zugunsten einer rassismuskritische Schule erweitert. Gespräche über eine Fortsetzung der Sommerakademie im Jahr 2022 sind derzeit im Gange. Falls Sie Interesse oder Fragen haben und am Laufenden bleiben möchten, können Sie einfach den Newsletter abonnieren, mit einer Mail diesbezüglich an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! .
Aktuelles aus dem Dokumentationsarchiv Migration Tirol
Ö. und M. Yaşar in der Wohnung im Herrenhaus Jenbach, 1981. DAM, Sig. AT-ZEMIT-DAM Sammlung-1-2-3 und 1-2-4
Diese beiden Aufnahmen aus dem Jahr 1981 zeigen Herrn und Frau Yaşar in ihrem Zimmer, das sie 1981 im Jenbacher Herrenhaus gemeinsam bezogen. Die Bilder dokumentieren beispielhaft die damaligen Wohnverhältnisse von Migrant*innen im ehemaligen Gasthaus Herrenhaus, welches erste Wohn-Anlaufstelle v.a. für jung verheiratete Paare war. Das Zimmer ohne Fenster verfügte lediglich über wenige Möbel, ein Waschbecken und eine winzige Kochnische.
Herr Yaşar folgte seinem Vater, Arbeiter aus der Türkei, bereits als 15-Jähriger nach Jenbach. Schon bald nach seiner Ankunft wurde er Mitglied im Boxverein SC Delta in Schwaz und fand Arbeit bei den Jenbacher Werken, wo er sich später auch als Betriebsrat engagierte. Seine Frau migrierte 1980 nach der Heirat mit ihm ebenfalls aus der Türkei nach Jenbach. Sie arbeitete als angelernte Köchin im Hotel Plankenhof bei Schwaz.
Ö. Yaşar bei einem Boxwettbewerb im Volkshaus Schwaz, 1975, © Foto Reichenberger. DAM, Sig. AT-ZEMIT-DAM Sammlung-1-2-1
Beide bemühten sich, ihre Wohn- und Lebensverhältnisse immer weiter zu verbessern. Mit vier Töchtern war dies auch dringend notwendig. Mit der Geburt der Kinder fiel bald die Entscheidung, in Österreich zu bleiben und die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. „Heimisch“ fühlt sich Herr Yaşar hier aber nur bedingt, denn, selbst enge Freunde lassen ihn immer wieder spüren, dass er kein „echter“ Österreicher sei.
Zu sehen sind die Aufnahmen und deren Geschichte derzeit, gemeinsam mit weiteren Objekten aus dem DAM, in der Ausstellung „Verkehrsknotenpunkt Jenbach im Wandel der Zeit“. Die Ausstellung thematisiert die komplexe Thematik, die sich für einen Ort wie Jenbach aus der Rolle eines Verkehrsknotenpunkts ergibt; und spart dabei auch das Thema der Migration nicht aus. Es ist erfreulich, dass das DAM Regionalmuseen mit interessanten Leihgaben dienen kann. Inzwischen hat das DAM auch österreichweit immer größere Bekanntheit erlangt und wird als einziges dezidiertes „Migrationsarchiv“ häufig zu Vernetzungsveranstaltungen eingeladen.
Haben auch Sie eine interessante Migrationsgeschichte zu erzählen?
Beschäftigt sich Ihre Einrichtung mit Migration oder Flucht?
Forschen Sie zum Thema?
Wir sind gerne für Sie da, dokumentieren Ihre Geschichte oder Unterlagen oder helfen Ihnen bei der Recherche. Sie können sich jederzeit bei uns melden, um ein Gespräch oder einen Recherchetermin zu vereinbaren.
Kontakt:
Dokumentationsarchiv Migration Tirol, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, 0512/577 170 – 12
Wertedialoge: Ein Format, das ankommt
Im Rahmen der diesjährigen Demokratiewoche, einer städte- und gemeindeübergreifenden Initiative, die das Bewusstsein für aktiv gelebte Demokratie in den Mittelpunkt stellt - fanden in Telfs und Schwaz Wertedialoge statt.
Die Teilnehmerinnen in Schwaz. Foto: Stadt Schwaz
Mit dem Brettspiel "Das Haus der gemeinsamen Werte" entdeckten die Teilnehmenden verschiedene Werte, die in ihrem Leben eine Rolle spielen und tauschten sich darüber aus. Zu erkennen, wie wichtig es ist, Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus keine Chance zu geben, war nicht nur Motto der Demokratiewoche, sondern auch Teil der spielerischen und interaktiven Wertedialoge. Werte entdecken, mit ihnen spielen und zuhören, welche Werte für die anderen wichtig sind, ist dabei ein ebenso wichtiger Aspekt wie die eigenen Werte kritisch zu hinterfragen. Wertedialoge zeigen gleichermaßen Grenzen und Widersprüche auf, die zweifelsohne innerhalb einer Gesellschaft und der ihr innewohnenden Werte existieren – und die manchmal schmerzhaften historischen Kontexte, die zu diesen Werten führten.
Ein respektvoller Austausch und Begegnung auf Augenhöhe, die von den Teilnehmenden sehr geschätzt wurde.
aus.grenzen - auf.machen: Eine Veranstaltungsreihe zum Thema Flucht und Grenzen
Geflüchtete Menschen stoßen auf sehr viele Grenzen – nicht alle sind sichtbar und physisch. Die Veranstaltungsreihe beleuchtet verschiedene Aspekte – von der Grenze an den Toren Europas bis zu Grenzerfahrungen. Eröffnet wurde das Spektrum vielseitiger Veranstaltungen am 2. Oktober 2021 mit einem Podiumsgespräch, bei dem Erfahrungsberichte von Einsätzen an den Grenzen Europas im Mittelpunkt standen. Die im Raum Tirol stattfindende Reihe endet im Juni 2022 mit dem Fest der Vielfalt. Organisiert wird „aus.grenzen – auf.machen“ als ein gemeinsames Projekt von BFI Tirol, Haus der Begegnung, Plattform Asyl, Rotes Kreuz und Stadt Innsbruck mit Unterstützung des Landes Tirol.
Im Oktober 2021 gibt es zudem noch eine Stadtführung zu wichtigen Orten für Geflüchtete in Innsbruck. Fortgesetzt wird im November mit der Vorführung des Dokumentarfilms „A BLACK JESUS“ im Leokino. Am 24.11.21 findet zudem die Lesung „Bin ich zu ungeduldig? Vier Jahre mit meiner syrischen Freundin Fatima“ statt. Das Jahr 2021 wird von einem Erfahrungsbericht Irak von Joe Höllwarth beendet.
In das neue Jahr gestartet wird am 18. Jänner 2022. Das „Globo-Dinner“ ist Vollwertkost für Leib und Seele – eine lehrreiche Erfahrung, die durch den Magen geht. Einen Einblick in die Lebenssituation von Menschen in Afghanistan vermitteln der Vortrag am 9. Februar und der daran anschließende Workshop am 10. Februar. Von Ende Februar bis Anfang März ist die Ausstellung „Die Stadt gehört uns allen“ zu sehen. Die Filmvorführung zu „ZeitdreherInnen“ wird am 18.02.22 abgehalten.
Einen Crosstalk zu Grenzerfahrungen können Sie am 7.04.22 erleben. Ebenfalls im April: Das Mittagsgespräch zum Thema „Flucht und Migration“. Im Zone Wörgl wird am 28.04 ein Vortrag und eine Diskussion zur aktuellen Flüchtlingslage in Europa abgehalten.
In „Die Situation von geflüchteten Menschen in Griechenland“ am 19.05. berichten zwei Freiwillige von ihrem Einsatz auf Lesbos. Am 21.05 kann am Reflexionsworkshop „Begegnen und Befremden“ teilgenommen werden. Ebenfalls hochspannend ist das Stationentheater der Plattform Asyl, in dem Teilnehmende am 20. Juni einen Einblick in das Asylverfahren gewinnen.
Das Fest der Vielfalt und die Verleihung des Fotopreises „Lebensrealität von Geflüchteten“ bringen die Veranstaltungsreihe am 25. Juni 2022 zu einem festlichen Ende. Im Tiroler Volkskunstmuseum feiern wir gemeinsam das Zusammenleben in aller Unterschiedlichkeit.
Mitveranstalter sind die Stadt Innsbruck, die Plattform Asyl FÜR MENSCHEN RECHTE, der Landesverband Tirol des Österreichischen Roten Kreuz, die Straßenzeitung 20er, das BFI und die Seebrücke. Weitere Infos unter: https://plattform-asyl.eu/aus-grenzenauf-machen/
Alles Gute: 30 Jahre Initiative Minderheiten und 30 Jahre STIMME
Die Initiative Minderheiten und mit ihr die Stimme – Zeitschrift der Initiative Minderheiten feiert 2021 ihr dreißigjähriges Bestehen. Gegründet 1991, um sich für einen breiten Minderheitenbegriff stark zu machen, entwickelte sich die IM in drei Jahrzehnten zu einer österreichweit vernetzten Plattform und blickt auf zahlreiche erfolgreiche Projekte in Kultur, Wissenschaft und Bildung zurück. Die Stimme begleitet nicht nur unsere Arbeit medial, sondern analysiert – ebenso seit 30 Jahren – unterschiedliche gesellschaftliche Themen in Verbindung zu und aus der Perspektive von minorisierten Gruppen.
Seit Freitag, 24. September, ist in der Stadtbibliothek Innsbruck (Amraser Straße 2) die Ausstellung „Was wir fordern! Minderheitenbewegungen in Österreich“ zu sehen. Im Mittelpunkt der von der „Initiative Minderheiten“ konzipierten Schau stehen die Geschichte und zentrale Forderungen unterschiedlicher Minderheiten in Österreich.
Hier geht es zur aktuellen Ausgabe der Stimme
Hier geht es zum Blog der Initiative Minderheiten und zu vielen Beiträgen rund um das 30-jährige Jubiläum
Das Team des ZeMiT gratuliert zum 30-jährigen Bestehen, Stand-halten, Auf-stehen und Wider-stehen!
BIM GOES MOVIE: MACONDO
Wie schon im letzten Newsletter stellen wir auch diesmal eine Perle des österreichischen Films vor. MACONDO, ein Film von Sudabeh Mortezai , hat neben anderen Auszeichnungen und zahlreichen Festivalteilnahmen bei der Viennale 2014 den Wiener Filmpreis bekommen.
Macondo: Synopsis
Der elfjährige tschetschenische Junge Ramasan hat viel zu bewältigen für sein junges Alter: frühe Verantwortung für die Familie, den rauen Alltag in einer Flüchtlingssiedlung und das übermächtige Kriegshelden-Bild des toten Vaters, an den er sich kaum erinnert …
Hier geht es zum Trailer
„Macondo – ein stiller Film, der genau beobachtet und mir ein neues Wien gezeigt hat. Eine bunte Flüchtlingssiedluung, in der ein elfjähriger, tschetschenischer Junge früh erwachsen werden muss und dabei an seine Grenzen stößt. Authentische Schauspieler:innen und weitestgehender Verzicht auf Stereotype. Großes, stilles Kino!“ (Michaela Nindl, ZeMiT)
Ab sofort steht Macondo in der BIM zur Ausleihe zur Verfügung.
Buchempfehlung aus der BIM: Wieso Heimat, ich wohne zur Miete, Roman von Selim Özdoğan
Literaturempfehlung von Tuğba Şababoğlu
Die Welt ist groß. Was soll ich mit einer kleinen Identität?, fragt sich Krishna Mustafa in den ersten Tagen, die er in Istanbul verbringt. Er ist Sohn einer deutschen „Hippiemutter“ und eines türkischen Deutschstudenten und „Kleindealers“. Istanbul ist seine Geburtsstadt. Dort verbrachte er gemeinsam mit seinen Eltern seine ersten Lebensjahre. Seit der Einschulung lebt er in der deutschen Stadt Freiburg. Nach der Trennung von seiner Freundin Laura, die ihm vorwirft, keine Ahnung von der Türkei noch eine Meinung zur Türkei und kein Verhältnis zu seinem Vater zu haben, trifft er eine Entscheidung: Er tauscht mit seinem Cousin aus Istanbul für sechs Monate das WG-Zimmer und geht auf die Suche nach seinen Wurzeln. Dabei taucht er in die Dynamik der türkischen Metropole ein und gewinnt viele neue Eindrücke.
Ich bin ein Teil von einem Menschenmeer. 17 Millionen Menschen in dieser Stadt und ich schwimme mit ihnen auf den Straßen, ich schwimme im Geräusch der Motoren und Hupen und Hubschrauber, ich schwimme im Baulärm, in den Rufen der Straßenhändler, ich schwimme in diesen deutschen Sprachfetzen, die man an fast jeder Ecke hört, in den arabischen, ich schwimme in der Sprache, auf dem Beton, ich schwimme zwischen Sesamkringeln und frischen Obstsäften, ich schwimme zwischen Gebetsrufen und Kirchen, zwischen Betonmischmaschinen und halbfertigen Häusern, ich schwimme durch diese Stadt, als könnte ich jahrelang durch ihre Straßen treiben und glücklich dabei sein. (S.136f.)
Auf der Suche nach den Wurzeln trifft der 24-Jährige viele Menschen und macht neue Erfahrungen. Mit seinen WG-Freunden führt er spannende Gespräche über die Politik in der Türkei und erfährt mehr über die Gezi-Proteste, von denen er in Deutschland nur aus den Medien wusste. Während seines Istanbul-Aufenthalts verbringt Krishna Mustafa ebenso Zeit mit seinem Vater Recep, der nach einiger Zeit in Deutschland in die Türkei zurückgekehrt ist. Obwohl sich Vater und Sohn in den ersten Wochen mehrmals verpasst haben, schaffen sie es doch, sich zu treffen und führen spannende Gespräche, auch über Identität: [Recep zu Krishna Mustafa] Du bist kein Türke, und du bist kein Deutscher. Du bist jemand zwischen zwei Ufern. Aber das ist nicht schlimm, du kannst ja schwimmen. (S. 222)
Auf seinen Erkundungen durch die Stadt landet er aus Neugier in einem Waffenladen und lässt sich unglücklicherweise mit einer Waffe in der Hand fotografieren. Auch nimmt er am Sommerfest der deutschen Gemeinde in Istanbul teil. Mit der Vorsitzenden des Vereins, die bereits seit 44 Jahren in Istanbul lebt, spricht er über das, was Heimat ist oder sein könnte.
Ich bin auf der Suche nach meinen Wurzeln.
Es gibt keine Wurzeln, sagt sie, das Leben ist für uns eine Brücke, auf der man die ganze Zeit hin- und herfährt, bis man keinen Sprit mehr hat. Man kommt nicht an.
Ich hatte nie das Gefühl, irgendwo hin- und herzufahren. Und einen Führerschein habe ich auch nicht. Aber ich will wissen, was unter der Brücke ist, sage ich.
Obdachlose, sagt sie, unter der Brücke sind immer nur Obdachlose, die keine Heimat mehr haben, die runtergefallen sind. Wir, wir fahren zum Glück noch, sagt sie und nimmt noch einen Schluck von ihrem Sekt. (S. 36f.)
Sechs ereignisreiche Monate gehen vorbei, dann aber wird ihm am Flughafen Frankfurt schlagartig klar, dass er in Istanbul einen Fehler gemacht hat: Die Medien in Deutschland haben aus ihm einen Dschihadisten gemacht.
Aus der Sicht des sympathischen und naiven Protagonisten schildert der Autor des Romans auf eine humorvolle Weise die kulturellen und religiösen Zuschreibungen, Vorstellungen und Vorurteile der Deutschen und Türk*innen sowie jenen wie Krishna Mustafa, die dazwischen stehen. Kapiteln, in welchen der „Chor der Einäugigen“ zur Sprache kommt, bringen Abwechslung in die Handlung und Rezeption des Buches – sie sorgen für einen Tempo- bzw. Perspektivenwechseln und machen verschiedene Varianten von Humor sichtbar.
Selim Özdoğan: Wieso Heimat, ich wohne zur Miete. Roman, Haymon Verlag, 2016.
Anmeldung und Ausleihe
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Redaktion und Lektorat: Mag.a Michaela Nindl, Tuğba Şababoğlu MA
Herausgeber: ZeMiT – Zentrum für Migrantinnen und Migranten in Tirol, Andreas-Hofer-Str. 46/1, 6020 Innsbruck; vertreten durch Mirjana Stojaković, GFin ZeMiT und Dr. Gerhard Hetfleisch
www.imz-tirol.at
Das IMZ ist ein gemeinsames Projekt von Land Tirol/Abteilung Gesellschaft und Arbeit - Integration und ZeMiT.