Anfänge! Vierzig Jahre ZeMIT 1985 bis 2025

von Gerhard Hetfleisch

1985 begann ZeMiT mit drei Berater:innen im Keller des Utopia – getragen von migrantischem Engagement und begleitet von politischen Grabenkämpfen. Aus diesen Anfängen wuchs eine Institution, die Arbeitsmarkt und Gesellschaft in Tirol bis heute prägt. Ein Beitrag von Gerhard Hetflleisch.

Die konstitiuierende Sitzung des Vereins fand am 25. März 1985 im ÖGB Tirol statt. Zum Obmann wurde Walter Guggenberger gewählt. Im Vorstand waren Musa Sahim, Walter Mlinar, Markus Varesco, Dr. Joachim Tschütscher, Hubert Peham, Peter Bundschuh und Dr. Elisabeth Aufheimer. Als Berater:innen eingestellt wurden Anita Koren, Müslüm Demirkilic und Gerhard Hetfleisch, der zugleich Sekretär des Vereins war.

Ziel des Vereins war die Gründung einer arbeitsmarktpolitischen Beratungsstelle für Ausländer in Tirol nach dem Vorbild des ersten derartigen Beratungszentrums in Wien (seit 1983). Den in Tirol in den 60er Jahren angeworbenen und danach zugewanderten ausländischen Arbeitnehmer:innen in Tirol, sollte eine qualitativ hochstehende Beratung und Begleitung in zentralen Fragen und Problemlagen rund um Beruf, Arbeit und Aufenthalt angeboten werden, dies barrierefrei muttersprachlich, kostenlos und unabhängig. Die Kooperation mit den fördernden Stellen wurde gesucht, doch sahen sich die Berater:innen den Hilfesuchenden parteiisch verbunden. Das war eine Ansage, die Migrant:innen und dem Vorstand sehr wohl aber manche Behördenvertretern nicht schmeckte, wie sich in den nächsten Jahren an den Grabenkämpfen ablesen ließ, beispielhaft stand dafür die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck.

1985 wurde es dann konkret und standesgemäß am Mittwoch 1. Mai 85 feierten die drei Angestellten des Vereins ihren ersten (arbeitsfreien) Arbeitstag im gerade neu eröffneten Keller des Utopia. Im Untergeschoß dieses Turms von Babel, vielstimmig und vielsprachig, fühlten sich die Feiernden zu Hause. Mehrere Berater:innen der Einrichtung aus Wien waren gekommen, darunter eine Handvoll begnadeter Musiker, die aufspielten. Lieder aus allen Regionen Südosteuropas und der Türkei erklangen, zuerst konzertmäßig, dann kippte der Abend in eine große Fete. Es war 1985 nicht abzusehen, dass die Musiker der Beratungsstelle Wien um Slavko Ninic als Stimme der Gruppe einige Jahre später die Erste Wiener Tschuschenkapelle gründen würden. Am Donnerstag 2. Mai wurde es dann ernst, obwohl noch nicht beraten werden konnte. Im ersten Stock des Gasthofs Goldener Stern in der Leopoldstraße 16 in Innsbruck musste zuerst geschliffen, gespachtelt und gestrichen werden. Es galt in sehr viel Eigenarbeit aus einer abgewohnten Wohnung ein Büro zu machen, da die Mittel nicht üppig waren.

Höhepunkt des Jahres war der Mittwoch 3. Juli 1985. Bundesminister für Soziales Alfred Dallinger eröffnete die AusländerberatungsstelleTirol (ABT) höchstpersönlich. Das mochte einigen im Lande ein läppisches Unterfangen gewesen sein: eine Einrichtung mit bloß drei Beschäftigten, eine türkische–jugoslawische–österreichische Mischung. Und dann ging es mit „unserem“ Geld um „Gast- und Fremdarbeiter“, wie das damals oft noch in der alten Nazi-Diktion hieß! Allerdings brachte der Minister mediale Aufmerksamkeit und darum wenig überraschend auch die Anwesenheit von Prominenz, vom Konsul der SFR Jugoslawien bis hin zu Behördenvertretern, Arbeitsmarktservice, Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Beschäftigten diverser Sozialeinrichtungen. 

Zu erinnern ist daran, dass es Dallinger zu verdanken ist, dass in den 80er Jahren in Wien, Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg arbeitsmarktpolitische Beratungsstellen ihre Arbeit aufnehmen konnten, die ein integratives Konzept in der Arbeit verband und mit einer Belegschaft, die überwiegend aus Migrant:innen bestand. In seiner Eröffnungsrede skizzierte Dallinger dazu seine politische Ausgangsposition. „Wir haben seinerzeit die Parole ausgegeben und auch in Programmen umgesetzt, dass wir Arbeitskräfte gerufen haben und Menschen gekommen sind. Die Arbeitmarktverwaltung ist daher angehalten sozial-humanitär vorzugehen.“ 

Schon am nächsten Tag aber begannen die mehr berüchtigten als berühmten Mühen der Ebene, und diese fielen nicht gerade schmal aus, da der Ansturm auf die Stelle ebenso groß war wie die Erwartungen der Migrant:innen, und die Widerstände waren so hartnäckig wie sich der Alltagsrassismus bis heute hält. Diese Konstellation brachte aber überraschend günstigen und starken Rückenwind mit sich, der das Schiff bis heute auf Kurs hält.

Gerhard Hetfleisch ist Mitglied des Vorstandes des Vereins ZeMIT und war bis 2020 Geschäftsführer im Verein. 

Eröffnung Ausländerberatungsstelle Tirol 3. 7. 1985 durch Bundesminister für Soziales Alfred Dallinger, von links: Alfred Dallinger, Gerhard Hetfleisch, Heinz Rohrmoser (AMS), nicht bekannt, Krenn (AMS), Jürgen Berger (AK Tirol), nicht bekannt, Branko Milutinovic (Bratstvo) Jörg Hofer, sitzend der Konsul der SFR Jugoslawien, verdeckt links Walter Guggenberger

Büroatmosphäre in den 1980ern - neidvoll erinnert.

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