Rezension: Wut auf Differenz (Ulrike Marz, 2023)

Ulrike Marz: Wut auf Differenz: Kritische Theorie und die Kritik des Rassismus. Monographie, transcript Verlag, 2023.

Rezension: Joshua Makalintal

In der heutigen Zeit, in der antirassistische soziale Bewegungen zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist die Notwendigkeit, eine rassismuskritische Gesellschaftstheorie voranzubringen, wichtiger denn je. Die kürzlich erschienene Monographie von Ulrike Marz ist ein Versuch, zu dieser Agenda beizutragen, indem sie die wesentlichen Erkenntnisse der ersten Generation Kritischer Theoretiker der Frankfurter Schule aufgreift. Es ist ein anspruchsvolles Projekt, das auch auf den eigenen bisherigen Forschungsarbeiten der Autorin aufbaut. Trotz seines akademischen Charakters kann man die Lesbarkeit des Buches für ein allgemeines Lesepublikum loben, insbesondere das eigene Kapitel zur methodischen Reflexion des Kritikbegriffs. sowie die Gliederung der Ausführungen in die einzelnen siebzehn Thesen zum Schluss.

Die Gesamtargumentation greift jedoch zu kurz, insbesondere im Hinblick auf ein zunehmend globales, heterogenes Terrain sozialwissenschaftlicher Rassismusforschung, die auf andere (von der Kritischen Theorie geprägte) Denktraditionen aufbaut und diese erweitert. Marz‘ Buch bleibt erwartungsgemäß in einem Rahmen, der symptomatisch ist für die meisten gesellschaftstheoretischen Werke, die in der deutschsprachigen Sozialtheorie verhaftet sind. Es ist ein Rahmen, der sich leider weigert, sich gründlich und ernsthaft mit dem eurozentrischen Charakter der Kritischen Theorie zu befassen. Obwohl die Autorin betont, dass sie sich nicht auf einen „dogmatischen Kanon“ einer kritisch-theoretischen Tradition als Referenz bezieht, steht dies im Widerspruch zu der bestimmten Lektüre, auf die sie sich in erheblichem Maße stützt und die folglich ihre eigene theoretische Provinzialität widerspiegelt.

Jeglicher emanzipatorische Ansatz, der darauf abzielt, Rassismus in unserer gegenwärtigen globalisierten Welt ideologiekritisch zu theoretisieren und entgegenzutreten, muss die Herausforderung erkennen, auch den eurozentrischen normativen Grundlagen der vorherrschenden Wissenssysteme zu widerstehen. Die klassische Kritische Theorie hat sich in dieser Hinsicht leider als gleichgültig und schweigend erwiesen; Fragen der imperialen Ausbeutung und Unterwerfung wurden von ihr beispielsweise gravierend vernachlässigt. Der erste Schritt zur Überwindung dieser Vernachlässigung besteht darin, sie anzuerkennen, jedoch wurde diese Erkenntnis in dem Buch bedauerlicherweise heruntergespielt. Wenn man die Funktion der Kritischen Theorie als „Vermittlerin theoretischer Vereinseitigungen“ tatsächlich verwirklichen will, muss man sich ebenfalls bemühen, ihre antirassistischen und antikolonialen Defizite explizit und in gutem Glauben aufzuarbeiten.

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