#3 Junge Forschung mit#teilen: Franziska Völlner

Masterarbeit
Erzählte Identitäten. Heimat – FluchtMigration – Staatsbürger*innenschaft

 

Franziska Völlner

 

 

Heimat ist…?

Auf diese Frage gibt es unendlich viele Antworten. Für die einen ist Heimat ein Wohlfühl- und Sehnsuchtsort, der untrennbar mit (Kindheits-)Erinnerungen sowie mit Sicherheit und Geborgenheit verknüpft ist. Für die anderen ist Heimat verbunden mit der eigenen geografischen Herkunft, mit einer Sprache, mit Essen, mit kulturellen Werten, mit Freund*innen und Familie.

Heimat ist jedoch nicht nur individuell definierbar und deshalb vielschichtig und facettenreich, sondern vor allem auch omnipräsent. Sie begegnet uns, wenn wir im Supermarkt Produkte aus biologischem Anbau sehen, wenn wir an einer Werbung für eine Tourismusregion vorbeilaufen, wenn im Möbelhaus ein Kissen mit der Aufschrift „Home“ liegt oder wenn wieder einmal Wahlkampf in Österreich ist.

Gerade dann zeigt sich, dass Heimat im politisch rechten Spektrum auch als Kampfbegriff verwendet wird. Dann wird mit Heimat eine Grenze markiert zwischen dem Eigenen und dem Fremden, dem imaginierten Wir und den Anderen. Dieses Verständnis (re)produziert national(sozialistisch)e Konnotationen und fußt auf der Überzeugung, dass die eigene Heimat nicht nur schützenswert, sondern vor allem auch bedroht ist. Wer in diesem Verständnis eine Gefahr für die (österreichische) Heimat darstellt, ist schnell ausgemacht – die Anderen, die Ausländer*innen, die FluchtMigrant*innen.

Meine Masterarbeit versucht sich genau dieser Idee von Heimat entgegenzustellen und kreist deshalb um folgende Fragen: Was bedeutet Heimat für Personen, die aus ihren Herkunftskontexten fluchtMigrieren mussten? Was bedeutet Heimat für Personen, die nach Österreich fluchtMigriert sind, die fernab und/oder getrennt von ihren Familien und Freund*innen leben, die die Orte ihrer Kindheitserinnerungen zurücklassen mussten? Was bedeutet Heimat im Kontext von FluchtMigration?

Um diese Fragen zu beantworten, habe ich Gespräche mit FluchtMigrant*innen geführt und sie gebeten mir ihre Lebensgeschichten zu erzählen. Diesen biografischen Zugang habe gewählt, um bewusst „mit“ und nicht „über“ meine Gesprächspartner*innen zu sprechen und zu schreiben. Gleichzeitig können sowohl Heimat als auch FluchtMigration Biografien und Identitäten nachhaltig prägen.

Im Rahmen dieser Gespräche ließen sich schließlich drei Perspektiven auf Heimat(en) herausarbeiten: In einem ersten Verständnis wird Heimat als geografischer Sozialraum gedacht. Dabei stehen der Herkunftskontext als alte und Österreich als neue Heimat nebeneinander. Meine Gesprächspartner*innen verstehen sich nicht als ein-heimisch, sondern als mehr-heimisch und damit sowohl im Herkunftskontext als auch in Österreich zugehörig.

In einem zweiten Verständnis wird Heimat synonym mit Schutz, Sicherheit und Freiheit verwendet. Indem der österreichische Staat diesen Schutz gewährleistet, macht er sich zur neuen Heimat. Gleichzeitig verliert der unsichere Herkunftskontext diesen Status und wird dadurch zur alten Heimat. Im Gegensatz zum ersten Verständnis bezeichnen sich meine Gesprächspartner*innen als ein-heimisch und wollen dieses Gefühl der Zugehörigkeit durch den Erwerb der österreichischen Staatsangehörigkeit absichern. Genau dieser Schritt der eigenen Absicherung spiegelt sich auch im dritten Verständnis wider: In diesem wird Heimat als selbstbestimmter, aktiver, dynamischer und sich lebenslang vollziehender Herstellungsprozess von Beheimatung aufgefasst, der sich mitunter im Erwerb von Sprachkenntnissen, der Aus- und Weiterbildung,

Trotz dieser unterschiedlichen Perspektiven und Verständnisse bringen alle meine Gesprächspartner*innen Österreich mit Heimat in Verbindung und wollen sich be-heimaten. Diese Beheimatung wird ihnen jedoch nicht leicht gemacht – sei es durch das Staatsangehörigkeitsregime in Österreich, das nicht nur komplex, sondern vor allem auch restriktiv ist und (zwingend) mit dem Ablegen der ersten Staatbürger*innenschaft verknüpft ist oder aber Erfahrungen von Diskriminierung- und Rassismus, die ihnen das Gefühl geben kein (gleichwertiges) Mitglied der österreichischen Gesellschaft zu sein.

An welche Gelingensbedingungen Beheimatung geknüpft ist und wie ein solidarisches Zusammenleben ein- sowie mehrheimischer Menschen in Österreich aussehen könnte/sollte/müsste, versuche ich in meiner Dissertation [Un]Doing Heimat. [Nicht-]Beheimatungsprozesse und -strategien von FluchtMigrantinnen in Vorarlberg zu (er-)klären.

Volltext Erzählte Identitäten
Link zum Dissertationsprojekt „[Un]Doing Heimat“
Mehr Studien und Daten finden Sie auf unserer Seite IMZ-Studien


IMZ Newsletter Anmeldung

Mit einer kostenlosen Newsletter-Anmeldung erhalten Sie regelmäßig die neuesten Infos und Angebote direkt per E-Mail. Schnell, einfach und jederzeit abbestellbar.