Ein Blick in die Beratung: Armut als zunehmende Lebensrealität

Armut ist ein Dauerthema, das nicht nur in der Medienlandschaft immer wieder auftaucht, sondern auch in der Wissenschaft lebhaft diskutiert wird. Es ist leider auch ein sehr aktuelles Thema. In letzter Zeit stößt man immer wieder auf die Geschichte einer alten Dame, die sich im Winter entscheiden muss, ob sie heizen oder sich einen größeren Lebensmitteleinkauf leisten will. Eine Vorstellung, die schwer zu ertragen ist. Vor allem, weil Armut extrem ungerecht ist. Sie kann jeden ohne Vorwarnung treffen. Es reicht ein unvorhersehbarer Schicksalsschlag, der Verlust des Arbeitsplatzes, das Zerbrechen der Partnerschaft oder eine unerwartete Krankheit. Vielleicht auch deshalb ist Armut ein so emotionales Thema.
Die letzten Jahre waren aus vielerlei Gründen eine Herausforderung für unsere Gesellschaft. Da war zunächst die Corona-Pandemie und die damit verbundene Inflation. Dann haben geopolitische Krisen zu einem massiven Anstieg der Energiepreise geführt. Das hat dazu geführt, dass viele Menschen den Gürtel enger schnallen müssen, selbst in den elementarsten Lebensbereichen. Die Folgen sind fatal. Die Betroffenen geraten in existenzbedrohende Situationen, weil sie sich alltägliche Dinge des Lebens nicht mehr leisten können. Häufig trifft es Menschen, deren Lebensumstände ohnehin schon schwierig sind.
Theoretisch kann jeder Mensch im Laufe seines Lebens von Armut betroffen sein. Die Realität zeigt jedoch, dass es sehr wohl Personengruppen gibt, die deutlich häufiger in Armut geraten.

Hierzu zählen Alleinerziehende (48%), Arbeitslose (33%) und alleinstehende Frauen in Pension (30%). Menschen mit chronischen Erkrankungen sind mit großen Problemen konfrontiert.   Darüber hinaus sind der soziale Status, die Höhe des Einkommens und der familiäre Wohlstand einer Person ausschlaggebend dafür, wie gut herausfordernde Phasen abgefedert werden können. So zeigen Daten der Statistik Austria deutlich, dass Menschen, die besser bezahlte Tätigkeiten ausüben, auch seltener krank werden. Die Gründe für Erkrankungen sind vielfältig: Ein geringes Einkommen ist eine existenzbedrohende Situation, die eine hohe psychische Belastung mit sich bringt. Menschen, die von Armut betroffen sind, haben viel weniger Raum für Entspannung und Erholung. Dadurch fehlen Erholungsphasen, die für die Gesundheit des Menschen unerlässlich sind. Ein weiterer Faktor ist, dass die Qualität der Wohnung und der Lebensmittel, die man sich leisten kann, mit dem Einkommen zusammenhängt. So können z.B. Wohnungen mit Schimmelbefall, hohe Lärmbelastung in der Wohngegend oder das Wohnen auf engstem Raum die Gesundheit stark beeinträchtigen. Die explodierenden Wohnkosten werden daher für immer mehr Menschen zur Belastung: Seit 2022 sind die Wohnkosten von 1,2 Millionen (13%) auf 2,7 Millionen (30%) gestiegen. Armut ist also mit großen Herausforderungen verbunden, die einen enormen Einfluss auf viele verschiedene Aspekte des Lebens haben und einen Teufelskreis in Gang setzen, aus dem es nur selten einen Ausweg gibt. Leider sind MigrantInnen sehr häufig von mehreren der aufgezählten Faktoren betroffen.

Beratung im ZeMiT
Die arbeitsmarktpolitische Beratung ist ein Beratungsangebot, das seit 39 Jahren im ZeMiT angeboten wird. Wir bieten mehrsprachige Unterstützung für Menschen, die in den Arbeitsmarkt zurückkehren oder sich neu orientieren wollen. Gleichzeitig bieten wir auch Hilfe bei verschiedenen Anträgen und bürokratischen Angelegenheiten an. Eine enge Zusammenarbeit mit den KlientInnen, die tiefe Einblicke in die Lebenssituationen dieser Menschen erlaubt, ist daher essentiell. Die traurige Realität zeigt, dass Armut in Zeiten wie diesen für viele Menschen nicht nur ein Thema ist, mit dem sie sich beschäftigen, wenn sie die Zeitung aufschlagen oder einen Vortrag bei einer Tagung hören - Armut ist zu einem Begleiter ihres Alltags geworden.
Die bisher aufgezählten Fakten und Szenarien begegnen uns täglich in der Beratung. Die Lebenssituation vieler KlientInnen hat sich seit der Coronapandemie verschlechtert und auch der Bedarf an unseren Beratungsleistungen ist stark angestiegen. So erkundigen sich immer mehr Menschen nach finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten und sind nur in seltenen Fällen nicht anspruchsberechtigt. Neben dem Anspruch, möglichst vielen Menschen in schwierigen Lebensphasen eine Stütze zu sein, tut es unseren KlientInnen vor allem gut, einen Raum zu bieten, in dem sie gesehen und gehört werden. Diese kleinen, aber wirkungsvollen Gesten zeigen in der Praxis, dass es nicht immer die großen Taten sein müssen, die Zuversicht geben.

Verständnis und Einfühlungsvermögen für andere Lebensrealitäten zu zeigen ist ein Beitrag, den wir alle leisten können. Es ist wichtig, nicht wegzuschauen, wenn man sieht, dass jemand Unterstützung braucht. Umso wichtiger ist es, in herausfordernden Zeiten an Lösungen zu arbeiten, die besonders vulnerable Gruppen unterstützen.

 

 

 

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